Die Entlassung

Unfassbar unspektakulär ging das vonstatten. Von den angedrohten anderthalb Stunden verbrachte ich gerade mal einen Bruchteil am Abgabeort, um mich vom Wehrdienste loszusagen. Nach kaum zwanzig Minuten war der Spuk vorüber. Aber von Vorne.

Der geneigte  Leser weiss vielleicht, dass ich, braver Bürger, der ich bin, meine Wehrdienstpflicht gehorsam und ohne zu murren absolviert habe, und so endlich – endlich! – meinen allerallerletzten Marschbefehl bekommen habe, der mich dazu aufforderte, meinen Plunder zurückzugeben, eine Aufforderung, welcher ich natürlich mit Freuden nachzukommen gedachte. Ich war ein wenig spät dran am Morgen, immerhin ist 0930 auch eine gar unchristliche Zeit, und so braucht sich niemand zu wundern, wenn ich ein bisschen verspätet auftauche. Mein knappes Zeitbudget erlaubte es denn auch nicht, dass ich, wie per Brief vorgängig angeordnet, meine Grundtrageinheit 90 in ihre Einzelteile zerlegte, und so erschien ich halt mit assembliertem Gstältli um ca. neunuhrfünfunddreissig in der Kaserne.

Nicht, dass dies überhaupt jemanden interessiert hätte. Ich hätte wohl auch erst um 10 Uhr oder Nachmittags um 3 kommen können. Ich trat in die Turnhalle ein (Gebäude 13C) und wusste zuerst gar nicht, was ich zu tun hatte. Wohl gewahrte ich die Einkaufswagen, die dort in einer Reihe warteten, auch sah ich den Parcours, der mich entfernt an einen Hindernislauf gemahnte, und ich registrierte auch die Männer (denn Frauen hatte es keine), die mit gefüllten Einkaufswagen ebendiesen Parcours absolvierten. Aber weder wurde ich in Empfang genommen, noch willkommen geheissen, noch fand ich eine Anleitung, was von mir verlangt wurde. Also schaute ich mich zuerst einmal mit grossen Augen um und staunte in die Halle.

Da fiel mir ein Schild auf, welches, wie mir bei näherer Betrachtung klar wurde, einen behelfsmässig hingemalten Einkaufswagen im Querschnitt darstellen sollte. Schematisch war darauf angegeben, wie man sein ganzes Material in seinen Wagen zu schichten hatte, damit bei der Abgabe alles reibungslos in der richtigen Reihenfolge wieder daraus entfernt würde werden können. Ein genialer Plan! Da hat sich jemand etwas überlegt! Ich war beeindruckt und begann zu schichten, nachdem ich mein GT in seine Einzelteile zerlegt hatte.

Mit vollem Einkaufswagen machte ich mich auf dem Parcours. Beim ersten Posten fasste ich mein Dienstbüchlein zurück. «Friedli, Manuel», meldete ich mich. Die Dame am Computer meinte: «Ah, dasch itz luschtig, e Friedli hani itz doch ersch grad gha!» und ich antwortete: «Aha, soso, potzblitz!» ohne mir weiter etwas dabei zu denken und machte mich auf zum nächsten Posten, der Waffenabgabe, obwohl ich gar keine Waffe habe, aber kontrolliert muss das offenbar trotzdem sein, und das ist gut so.

Beim Posten war bereits ein Einkaufswägelischubser vor mir da, und so stellte ich mich hinten an. Wie so oft, wenn ich warte, drehte ich Däumchen und schaute mich um, unter Anderem musterte ich natürlich auch den sympathischen jungen Mann, der da vor mir seine Pistole zurück in die Obhut des Vaterlandes gab. Und da traf mich beinahe der Schlag. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen, wer dieser «Friedli» war, der gleich vor mir beim Computerfräulein gewesen war: Kein anderer war es als derjenige welcher, der Friedli, der Tobias, der Schlagzeuger des Swiss Jazz Orchestra!

Schüchtern, wie ich bin – wer mich nicht kennt, weiss das -, machte ich keinen Mucks sondern wartete (wahrscheinlich mit andächtig geöffnetem Mund und leicht debilem Gesichtsausdruck) geduldig, bis ich an der Reihe war.

Da ich keine Waffe abzugeben hatte, durfte ich gleich weiter zum nächsten Posten, und hier überholte ich den Herrn Friedli bereits, der noch mit seinem GT zugange war und all die unzähligen Taschen und Riemen demontierte. Scheint wohl am Nachnamen zu liegen, dass man sich nicht unbedingt an das hält, was in den Briefen vom Militär steht.

Item. Ich gab nach und nach mein ganzes Zeug ab, und nachdem ich meinen Einkaufswagen zurückgegeben hatte, erwartete mich ein Oberst Sowieso vor dem Ausgang, um sich bei mir zu bedanken für die geleisteten Diensttage. Mir lag auf der Zunge:

Scho guet, müesst nech nid äxtra bi mir bedanke, es isch ja nid freiwiuig gsi, was i da gleischtet ha, vo däm här chöit dr nech’s eigentlech grad spare.

Da ich aber mein Abschiedspräsent nicht aufs Spiel setzen wollte, beherrschte ich mich brav und sagte lediglich: «Bitte, das isch gärn gscheh, Ufwiederluegemerssischön!» und nahm mein Geschenk entgegen.

Und auch Du hättest für dieses schöne Geschenk gelogen, dass Dir beinahe die Zunge abfällt, denn siehe:

Wie schön die Verpackung ist! Wie hübsch die Schweizerfahne flattert! Was da wohl drinstecken mag?

Wooow – ein Päckli! Das verspricht Spiel, Spass UND Spannung in einem! Und gespannt war ich tatsächlich derart, dass ich, kaum draussen, das Paket öffnete und meinem Gwunder Linderung verschaffte.

Und was steckte drin?

Ein Pack Militärbiscuits und ein Riegel Schweizer Offiziersschokolade. Naja, es hätte schlimmer kommen können.

2 thoughts on “Die Entlassung”

  1. Herrlich erzählt. 😀 Die Vorfreude auf dieses Geschenk beschert mir wohl einige schlaflose Nächte, bis ich es dann im Verlauf des nächsten Jahres endlich in Empfang nehmen darf.

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