Wo sind die Plakate hin?

Der Kälte wegen verschlug es mich heute mit dem Tram in die Stadt, wo ich mich dann zu Fuss in den Lauben herumdrückte, und feststellen durfte, dass es so kalt eigentlich gar nicht ist, aber das konnte ich im Vornherein ja noch nicht wissen, und schliesslich kann ich froh sein, das Tram genommen zu haben und mich dann zu Fuss in den Lauben herumgedrückt zu haben, denn vom Velo aus hätte ich die Entdeckung, von der ich berichten will, und die meiner hochwohlgelöblichen Leserschaft bestimmt nicht neu ist, mir aber schon, gar nicht erst machen können, und hätte demzufolge nun auch nichts zu Schreiben, was allerdings dem Prinzip «Unter der Woche täglich einen Beitrag – am Wochenende Sendepause» entspräche, obzwar dieses Prinzip sich in meinem Tagebuch nicht wirklich duchzusetzen vermag, denn den täglichen Beitrag unter der Woche, den muss man mit einer grossen Lupe suchen, und wird selbst dann nicht fündig, wenn man zusätzlich noch einen Spürhund zu Hilfe nimmt. Punkt! Endlich!

Ich drückte mich also in den Lauben herum, und unterschritt dabei auch den Käfigturm an jener Stelle, wo nun statt der Weinhandlung diese Grossmutterbeiz, die von aussen immer so gemütlich und urtümlich, nichtsdestotrotz aber auch irgendwie auf eine Art ganz modern aussieht, ihren Sitz hat. Und gleich daneben, immer noch unter dem Käfigturm, gleich daneben befindet sich die legendäre Kinoplakatwand.

Hinter einer Glasscheibe vor den Unbillen von Wetter und Vandalen geschützt kleistern sich dort die Kinoplakate aller aktuellen Filme aller Kinos der Stadt Bern nebeneinander, und es ist jeweiligen eine Freude, die kunterbunten Kreationen zu bestaunen.

Jedenfalls war es das, denn irgendwann während der letzten Wochen oder Monate muss jemand die gloriose Idee gehabt haben, die guten, alten Plakate aus Papier und Druckerschwärze durch kühle Flachbildschirme zu ersetzen, die nun das Kinoprogramm ziemlich charmelos rauf- und runterrattern. Zwar ist die leere Fläche zwischen den Bildschirmen in farbiges Licht getaucht, was mir aber noch lange nicht die Farbenpracht der ehemals zur Schau gestellten Plakate zu ersetzen vermag, nie und nimmer.

Schade, das.

Dafür hängen momentan überall in der Stadt andere Plakate. Wahlplakete. Dazu aber vielleicht ein andermal.

Illiterater Blick am Abend

Kinder, wie die Zeit vergeht! Eben erst war Freitag, und schon ist wieder Freitag, nur dummerweise der nächste! Die Uhr rast einem quasi davon, und ehe man sich’s versieht, ist der Beitrag, den man schreiben wollte schon beinahe passé. Nicht so aber dieser, denn der ist zeitlos und ein Klassiker, und als solcher immer noch aktuell und von grossem Interesse für meine hochwohlgelöbliche Leserschaft!

Es ist ungefähr eine Woche her, da ich, beim Worblaufener Bahnhof auf den Zug, der mich nach Bern führen würde, wartend, im Blick am Abend schmökerte, und auf dessen letzter Seite fündig wurde. Ein wunderschöner Fallfehler prange mitten in der Überschrift, die uns George Clooneys Schnauz näher bringen möchte. Siehe hier:

Eine sprachliche Hochleistung

Bemerkenswert ist, dass doch am allerhäufigsten der Genitiv dran glauben muss, in der Schweiz auch ab und zu noch der Akkusativ («Ich sehe der Fehler!»). In diesem Fall aber war’s eben der Dativ. Denn: wem bring der George den Schnauz zurück? Richtig! Den Männern!

Soviel dazu. Zwar gibt’s ja wieder ein Kakuro im Abendblick, was ich sehr begrüsse, dennoch kann ich mich mit dem Blatt einfach nicht anfreunden. Beherrschen die doch nicht einmal der Dativ! Oder des Dativs? Jedenfalls dem Dativ seinen Gebrauch.

Gute Nacht!

February your grandmother!

Der letzte Beitrag endete mit eurer Mutter. Und hat nicht auch Captain Cook, der Barde aus dem vorletzten Beitrag, eine gewisse Affinität zu seiner Mutter? Allem Anschein nach ist die Mutter in letzter Zeit ein Thema, das die Welt bewegt.

Dies beweist doch bereits der unter schweizer Jugendlichen früher wohlbekannte und vielgeschätzte Ausruf «Dini Mer!», was so viel bedeutet wie «Ja chumm, häb doch d Schnure, du hesch doch ke Ahnig vo däm wo de hie laferisch, u sowieso bisch e Löu, chumm, fahr doch ab, Plagööri, was de bisch!», einfach ein bisschen kürzer und prägnanter.

Dass dieses «Dini Mer!» nicht eine Erfindung der Neuzeit ist, beweist uns die Lektüre von George Orwells 1984. Ich persönlich befinde mich zur Zeit mitten darin, schliesslich bietet mir mein vorübergehendes Telekommunikationsendgerät die Möglichkeit, unentgeltlich Buchinhalte zu speichern und bei Bedarf darzustellen, und so habe ich momentan diesen bekannten Roman fast allzeit dabei.

Jedenfalls bin ich in Kapitel 8 des ersten Teils auf Seite 10 von 58 auf folgende Textpassage gestossen, wo zwei Männer in eine hitzige Diskussion um Lottozahlen vertieft sind:

«Yes, a seven ‹AS won! I could pretty near tell you the bleeding number. Four oh seven, it ended in. It were in February–second week in February.»

«February your grandmother! I got it all down in black and white. An› I tell you, no number–«

Nun, der intelligente Teil meiner hochwohlgelöblichen Leserschaft, also alle, wird festgestellt haben, dass es sich hier nicht um eine Mutter, sondern um eine Grossmutter in Konjunktion mit einem Februar handelt. Den Februar wollen wir ignorieren, und die Grossmutter lässt sich spielend leicht dadurch erklären, dass 1984 im Jahre 1949 erschien, und die Mutter ist seitdem eben ein wenig gealtert. Ein durchaus einleuchtendes Argument.

Ich entlasse Dich ins Wochenende. Schönen Tag noch.

Minus eine Karte, Plus eine Erfahrung, oder: Wer stochert hat mehr vom Dreckwasser

«Den Stocherer» könnte man mich nennen, wenn man wüsste, wie sehr ich heute Abend gestochert habe. Wie auch gestern schon. Beide Male ergebnislos.

Wir hatten Wäsche. Die Waschmaschine des Hauses akzeptiert als Zahlungsmittel diese Plastikkärtchen, die man in diesen Schlitz schiebt, wo es dann dieses Guthaben davon abbucht, damit man diese Wäsche waschen kann. Jedenfalls wollte ich gestern zwecks Abbuchung und Initiierung des Wäschevorgangs das Kärtchen in den Schlitz einführen, schwadelte dabei aber aus irgend einem Grunde derart, dass mir die Waschkarte aus den Fingern auf den Boden fiel. Nein, nicht auf den Boden, das wäre ja kein Problem gewesen. Schlimmer, viel Schlimmer!

Neben der Waschmaschine befindet sich nämlich ein kleiner Gully, in dessen Deckel ein Loch eingesägt ist, in welches wiederum das Abflussrohr der Waschmaschine mündet. Das Loch ist jedoch um einiges grösser als der Schlauch des Abflusses. Diese Tatsache liefert den Stoff woraus Räuberpistolen und Bestsellerromane gemacht sind, und meine hochwohlgelöbliche Leserschaft hat natürlich schon längst herausgefunden, wohin genau denn nun meine Wäschekarte fiel.

Ins Loch.

Mitten hinein.

Hätte ich beabsichtigt, so gut zu treffen, ich hätte es beim besten Willen nicht geschafft, denn das war ein wahrer Schuss ins Schwarze, im Dart wäre die Karte mitten ins Bull’s-Eye geflogen, und damit wäre ich erst noch berühmt geworden, denn wer trifft schon mit einer aeroundynamischen Platikkarte mitten in die Mitte der Scheibe.

Nun, «Scheisse!» dachte ich, «dasch itz aber e Witz, oder?!». Auf der Karte waren noch gut siebzehn Franken gewesen, und die einfach so den Abfluss hinunterzuspülen, darauf hatte ich, gelinde gesagt, grad gar keine Lust. In meiner Not behändigte ich, zwecks dringender und drängender Wäsche, die zweite Wäschekarte, um wenigstens mal die Maschine in Gang zu bekommen. Ferner beschaffte ich mir aus der Küche ein Utensil, das es mir erlauben würde, im Gully zu rühren, um eventuell noch einen Blick auf das in Seenot geratene Opferkärtchen zu erhaschen.

So stocherte ich denn gestern gewiss zehn Minuten in der trüben Brühe, die zwar nicht tief, dafür aber genau so eklig stinkend wie jede beliebige Kloake im von Spinnweben zugekleisterten Loch steht. Wie gesagt: erfolglos.

Heute unternahm ich den nächsten Versuch, den ich nach Stunden, so kam es mir vor, ebenfalls ergebnislos abbrechen musste.

So habe ich nun das benutzte Küchenutensil, dessen Name, Funktion und AHV-Nummer ich hier aus Datenschutzgründen lieber nicht nennen möchte, dem Backofen überantwortet, wo es sich während mindestens dreissig Minuten in der 200 Grad heissen Luft aller Keime und Bakterien entledigen darf, die es im Abwasser aufgelesen haben könnte.

Achtung, Kinder: Wäsche waschen kann unbekannte Gefahren bergen. Überlasst es besser eurer Mutter.

Der Saxophone Gesang

Es gibt Musik, und es gibt Musik. Mehrerlei Sorten, Arten, und Sparten derselben tummeln sich auf dem weiten Felde der künstlerischen Ausdrucksweise. Besonders angetan haben es mir momentan die sagenhaften Klänge der Captain Cook’schen singenden Saxophone.

Es ist Musik zum Schwelgen. Dem weichen Klang der himmlischen Aerophone ist zu entnehmen, dass die Musikanten ihr ganzes Herzblut, ja, ihre vollkommenste Hingabe in jede einzelne Note der musikalisch ausnehmend hochstehenden Kompositionen gesteckt haben. Der Schmelz der Melodieführung vermag das Herz anzurühren, dass einem warm wird ums Gemüt. Und erst die gekonnt dezente Begleitung durch Synthesizer-Klavier und Midi-Schlagzeug verleiht dem opulenten Klangensemble den letzen Schliff, der dem geneigten Hörer durch Mark und Bein fährt, ihn elektrisiert und nicht mehr loslässt, ihn gefangen nimmt in einer Welt aus Wohlklang und Harmonie.

Es ist Musik zum Träumen. Die zarten Akkorde und Melodien vertreiben selbst die hartnäckigsten Sorgen des Alltags aus jedem Herz, die Seele wird frei und entfaltet sich in Anbetracht solch graziöser Klangbildung, solch sanfter Artikulation, solch enigmatischen Musizierens.

Es ist Musik zum Verlieben. Die Stücktitel, als da wären: «Schenk mir deine Zärtlichkeit», «Romantic Dreams», «Traumschiff der Liebe» oder «Zauber der Gefühle», sagen bereits mehr als tausend Worte. Den sanften Klängen der singenden Saxophone lauschend sieht man sich auf einem weissen Schimmel über den karibischen Sandstrand in den Sonnenuntergang reiten, die laue Seebrise im Haar und die Liebste im Arm.

Lieber Leser! Denkst du auch gerne an deine Mutter?