Der weisse Mantel kalter Schönheit

Endlich hat sich eine samtene Schicht knirschenden Weisses über das Antlitz der Erde gebettet! Wenngleich nur mager – schwindsüchtig, gar – so ist sie doch als Vorbote kalter und damit endlich winterlicher Tage anzusehen. «I like», wie der moderne Facebooker wohl sagen würde! Persönlich kann ich ja nicht mehr überprüfen, ob diese Redewendung immer noch en vogue ist, und so sage ich halt: «E gueti Sach!»

Lange genug waren wir nun von grauem Gewölk behangen, von klammem Regen benässt und von braunem Schlick untergeben. Höchste Zeit also für knackig-kalte Wintertage mit Sonnenschein und Schnee! E gueti Sach!

Blöd nur, wenn bereits wieder die Nase trieft und der Hals heisert. Aber diese Wehwehchen kann man angesichts des frischen Schnees getrost wegstecken.

Obacht ist geboten!

Als wäre Juliens Geburtstagsfest nicht bereits ereignisreich genug gewesen, bin ich auf dem Nachhauseweg Zeuge eines Ereignisses geworden, wie ich es noch nie erlebt habe und wohl so bald auch nicht mehr erleben werde. Kein Wunder, muss ich das Ganze unmittelbar in einen literarischen Erguss münden lassen! Zumal ich seit heute die Gewissheit habe, mindestens zwei Personen zum erlauchten Leserkreise meiner elektronischen Lektüre zählen zu dürfen. Ich entbiete ihnen – einem Zugfan und einem Aargauer, beides aber gestandene Mannsbilder und Informatiker – meinen besten Gruss!

Nun aber: Höre, lese!

Es mag ungefähr nach vier Uhr des Morgens gewesen sein, als ich – wie gesagt auf dem Nachhauseweg – gemütlich dahinspazierte. Es kam mir so ein orangenes Schnee-Schnutz-Traktörli entgegen, wie sie, wenn es dicht schneit, was heute Abend der Fall war, so ihre Bahnen zu ziehen pflegen, und schnutzte den Schnee vom Trottoir.

Da, plötzlich, circa zehn Meter entfernt von mir, spickte – poingg! – ein rundes Etwas von der Grösse einer Familienpizza vorne von der Schneeschnutzschaufel weg und flog in hohem Bogen auf die Strasse. Dem Traktörlifahrer schien das nicht aufgefallen zu sein, denn der fuhr unbeirrt weiter, und als ich dann am Ort des Geschehens eintraf, gewahrte ich ein kreisrundes Loch im Boden, mit einem Schacht darunter, der mit einem Kabelgewirr sondergleichen angefüllt zu sein schien. Und als ich dann die Familienpizza auf der Strasse näher untersuchte, war mir klar, dass dies mitnichten eine Pizza war, sondern ganz einfach ein Senklochdeckel, der von der Schaufel auf irgend eine Geissart aufgelüpft und davongespickt worden war.

«Vrruckt, weme dänkt!» dachte ich mir, und konnte das ja wohl kaum so im Raum stehen, beziehungsweise auf der Strasse liegen lassen. Ich schnappte mir also den Deckel und war gesinnt, ihn wieder aufs Loch zu legen, denn man stelle sich einmal vor, es käme ein Blinder auf seinem allabendlichen Spaziergang daher, und der sähe das Loch ja nicht. Verletzungsgefahr allenthalben! Daher mein Ansinnen, die gefährliche Senke fachgerecht zu verschliessen. Aber obwohl jeder Deckel irgendwo seine Pfanne hat, wie das Sprichwort so schön sagt, wollte es mir beim besten Willen nicht gelingen, das Senkloch zu stopfen. Irgendwie klemmte es, und so gab ich nach einer gefühlten Stunde frustriert auf.

Nun liegt also irgendwo in der Stadt Bern ein Senklochdeckel halbbatzig auf seinem Loch und harrt einer unachtsamen Person, welche er mit Bänderriss oder Misstritt in die nächste Notaufnahme katapultieren kann. Also Obacht beim städtischen Schneewandern!

Im Wissen darum, mein Bestes gegeben zu haben, kann ich nun aber immerhin beruhigt schlafen gehen.

Gute Nacht!

Fussgelenkmuskelkater

Muskelkater am Fussgelenk! Das soll mir erst mal einer nachmachen!

Najaaa, nicht genau am Fussgelenk zwar, und ob es Muskelkater ist, weiss ich auch nicht. Aber Sehnenscheidenentzündung am Schienbein ist doch eher unwahrscheinlich.

Jedenfalls kommt das vom durch-den-meterhohen-Schnee-stapfen, der zur Zeit die Strassen Berns bedeckt. Denn da muss man zünftig die Füsse lüpfen beim Spazieren, und das macht mir als passioniertem Schlurfgänger gehörig zu schaffen. Drum habe ich nun also diese Schmerzen im unteren rechten Schienbein. Aber immerhin könnt nun all ihr Spötter getrost höhnen: «We de scho nid muesch schaffe – du Bündeler! -, de hesch itz wenigschtens öppis, wo dr z’schaffe macht!» Iu, danke. Da kann ich wirklich nur noch sagen:

Gute Nacht!

Salve! Oder doch buongiorno?

Ferien im Tessin sind schon eine ganz famose Sache! Jedermann weiss: Im Tessin, da scheint immer die Sonne, im Tessin, da werden Rotwein getrunken und Polenta gegessen, im Tessin, da sind die Menschen freundlich und die Tiere lecker, im Tessin, da grünen die Bäume und blühen die Blumen und sowieso ist im Tessin die Welt einfach in Ordnung, denn hier herrschen italianità und vino rosso!

Kein Wunder also, dass wir eine Woche im sonnigen Süden der Schweiz verbrachten. Und da ein altes Sprichwort uns lehrt, dass einer, so er denn eine Reise tue, von derselbigen auch etwas zu erzählen habe, wollten wir unsere zweifelsohne interessanten Erzählungen mittels Postkarten in der Welt verbreiten, schliesslich gebietet schon der Anstand – der mir bekanntermassen innewohnt -, Freunde, Bekannte und entfernte Verwandte über ferienhalber Erlebtes stets auf dem neuesten Informationsstand zu halten.

Postkarten hatten wir bereits Anfang Woche gekauft – nicht, dass das noch vergessen geht, neinnein, da sind wir organisiert, da denken wir dran, da überlassen wir nichts dem Zufall! Mit schreiben haperte es hingegen ein wenig, denn wie gesagt scheint im Tessin immer (immer!) die Sonne und es ist sommerlich warm (35°C+, auch im Spätherbst, schon klar!), und so kommt man vor lauter schwitzen gar nicht zum schreiben, denn wer bekäme denn schon gerne eine Postkarte mit Schweisstropfen zugeschickt, also ich jedenfalls bestimmt nicht, und so harren also immer noch die Karten ihrer zugedachten Tinte. Siedendheiss fiel mir dann heute Morgen auch noch ein, dass eine Reise mit der Post auch für ein nur wenige Gramm schweres Stück Karton nicht umsonst ist, und man – als Fahrkarte sozusagen – dieses mit einer Briefmarkte zu versehen hat, will man den zuverlässigen Transport sicherstellen. Da morgen die Heimreise dräut und heute Samstag ist, blieb keine andere Möglichkeit, als den Erwerb der benötigten francobolli noch heute zu bewerkstelligen. So quälte ich mich notgedrungen in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett, denn die Post schliesst samstags bereits um 11 Uhr (!), und machte mich auf den Weg zum ufficio postale, kaufte venti francobolli, per favore, graziearrivedercibuonadomenica, und stapfte den steilen Weg zurück zum Häuschen.

Auf dem Rückweg begegnete ich anderen Frühaufstehern, kein Mensch weiss, was die bereits um diese unchristliche Zeit aus den Federn getrieben haben mag! Trotzdem grüsste ich höflich, schliesslich wohnt mir – ich erwähne es gerne erneut – der Anstand inne, und sprach ein lupenreines «Buongiorno» (der regelmässige Leser dieses Blogs mag sich eventuell an mein lupenreines Italienisch erinnern, welches ich vor circa genau einem Jahr bereits einmal thematisiert hatte). Im Gegensatz zu damals wurden mir aber keine widerlichen Brocken züritüüscher Mundart entgegengeschleudert, sondern einmal ein buongiorno, einmal ein ciao und einmal ein salve.

Oooh! «Salve»! Wie ein alter Römer kommt man sich vor, wie Caesar höchstpersönlich, wenn man mit salve seine Mitmenschen begrüsst! Fest nahm ich mir vor, meinen nächsten Grusspartner mit einem innigen salve! zu beglücken und begann bereits mit aufwärmenden Zungenübungen, damit es mir dann auch leichter von den Lippen rollen würde. Bereits vernahm ich hinter der nächsten Ecke der verwinkelten Gassen näherkommende Schritte und mein Puls schoss in froher Erwartung um mindestens das anderthalbfache in die Höhe, die Hände wurden feucht und zittrig und der Mund trocken – ideale Voraussetzungen für einen lateinischen Gruss, der sich gewaschen hatte! Ich setzte an, tief Luft zu holen, um dem unbekannten Entgegenkömmling eine Salve salve! entgegenzuschmettern, da bog dieser um die Ecke und entpuppte sich als älterer, vornehmer Herr mit eingegipstem Arm, dem ich unmöglich mit einem ordinären salve begegnen konnte, weswegen ich halt ein verlegenes buongiorno brösmelte und wie ein geprügelter Hund weiterzottelte.

Es ist wirklich ein Kreuz mit der fremden Sprache.

Und zum Schluss noch dies: Letzte Nacht hat es geschneit. Hier. Im Tessin. Die Welt ist aus den Fugen.