Der so-gut-wie-neue Drahtesel

Vor circa 6 Beiträgen habe ich eine Andeutung gemacht, die ich nun auszuschlachten gedenke. Mein «geflicktes Velo» hatte ich da kurz erwähnt, aber bei einer derartigen Geschichte darf es bei einer kurzen Erwähnung nicht bleiben, da muss was Grosses draus werden, unbedingt! Lasse mich also erzählen.

Erinnern wir uns kurz daran zurück, als ich mir mein damals neues, nunmehr treues Velo zulegte. Freude hatte ich, begeistert war ich, unerschütterlich im Glauben an die Güte, Qualität und Unzerstörbarkeit dieses Velocipeds! Zu Recht auch, denn fahren tut es auch nach fünf Jahren noch ordentlich, und meine Geschwindigkeit ist nach wie vor wahnsinnig, wenn die Reifen hart gepumpt sind.

Und dann kam der Tag, an dem mein Rücklicht nicht mehr so richtig wollte. Statt hell zu leuchten deuchte mich, es glömme eher schummerlich, und als es mir schliesslich zu bunt wurde, brachte ich es – samt Velo – zum Mech und liess gleich noch einen Service machen. Das war vor gut anderthalb Jahren. Als ich dann das Velo wieder abholen wollte, merkte ich beim Wegfahren, dass das Rücklicht keinen Deut besser zündete als vorher. Auf meine Beschwerde hin montierte der Mech das Rücklicht ab, befestigte provisorisch ein batteriebetriebenes am Gepäckträger und versprach, er melde sich, sobald er von der Rücklichtherstellerfirma Bericht bekommen habe, was mit meinem Sorgenkind nicht in Ordnung sei.

Einen oder zwei Tage später dann nahm ich auf dem Heimweg von der RBB-Probe beim Waisenhausplatz eine derart enge Kurve, und lehnte mich derart weit zu Boden, dass mein linkes Pedal kurz aber intensiv funkensprühend über den Boden schrammte, bevor der äussere Teil mit einem lauten *Pling* abbrach. «Schissdräck», dachte ich mir, «aber haub so wiud, gli mues i ja eh wider zum Mech, wägem Rückliecht, de chaner mr de grad no nöji Pedau montiere.»

Das war, wie gesagt, vor gut anderthalb Jahren. Gehört habe ich nie mehr etwas, und mich bei ihm zu melden, das verboten mir mein Stolz und meine Sturheit. Und als nun vor gut drei Monaten das Batterielicht seinen Geist aufzugeben begann, sah ich mich gezwungen, zu handeln.

Zum alten Mech wollte ich nicht mehr. Den finde ich jetzt doof. Weil er sich nicht um mich gekümmert hat. Ich will als Kunde umkümmert werden. Schliesslich müssen wir in der Bude auch bei allem, was wir tun, denken: «U was bringt itz das üsne Chunde?» Man nennt das Kundenorientierung. Ich mag Kundenorientierung. Jedenfalls, wenn ich der Kunde bin. Und beim alten Mech bin ich nun also die längste Zeit Kunde gewesen. Bevor man aber an einem Ort Kunde gewesen sein kann, muss man einen neuen Ort gefunden haben, wo man Kunde sein kann. Und diesen Ort habe ich gefunden: Beim Bikeline am Eigerplatz. Ist eh noch viel näher bei meinem Zuhause. Von zwei Personen war mir dieser Laden empfohlen worden, was für mich mehr als nur Grund genug war, mal vorbei zu schauen.

So schaute ich also und liess meinen Drahtesel in der Obhut vom Röschu. Und ich tat gut daran, denn er hat mir wieder so ein rassiges Supernova-Rücklicht montiert. Und neue Pedale, was den angenehmen Nebeneffekt hat, dass ich mir fortan nicht mehr die Beine blutig kratze, wenn ich mein Velo schieben muss. Wie schön!

Infentar

Immer wieder sehr freuen tue ich mich über Schreibfehler. Handelt es sich gar um originelle Exemplare, ist meine Freude gleich doppelt gross. Wie im Falle dieses exquisiten Exemplares:

So gesehen im Fahrradgeschäft meines Vertrauens.

Der Duden, mitunter eines meiner Lieblingsbücher, lehrt uns:

In|ven|tar, das; -s, -e <lat.> (Einrichtungsgegenstände [eines Unternehmens]; Vermögensverzeichnis; Nachlassverzeichnis)

Wohingegen:

In|ven|tur, die; -, -en (Wirtsch. Bestandsaufnahme)

Ich gehe davon aus, dass das TEAM BIKELINE den Laden nicht geschlossen hatte, weil da Einrichtungsgegenstände oder gar ein Nachlassverzeichnis im Geschäft sich befunden hätten. Vielmehr neige ich zur Annahme, es habe sich gleich ein doppelter Fehler in das (oder die?) Infentar eingeschlichen. Frech, das!