Een reis med de nacht trein

Wenn einer eine Reise tut, dann muss ich jetzt was schreiben. Wir machten für einige Tage Holland unsicher und haben fast jedes Klischee mal abgedeckt: Tulpen gesehen, Windmühlen gesehen, Holzschuhe gesehen, Käse gesehen, fietsen gehuurd (also Velos gemietet). Einzig gekifft haben wir nicht, aber wir sind ja auch schon alt. Item.

Standesgemäss reisten wir mit dem Nachtzug, und die Rückfahrt hatte etwas zu bieten, worüber zu schreiben es sich lohnt, denn im Nebenabteil logierte ein älterer Herr mit schlohweissem Haar, Brille und ausschliesslich holländischen Sprachkenntnissen.

Den ersten Kontakt hatten wir, als er in unserem Abteil aufkreuzte, erfreut das Licht in der Kabine erblickte und mich auf holländisch fragte, wo denn wohl der Lichtschalter zu finden sei. Gottseidank war ich nach 6 Tagen Nieuw Vennep, Amsterdam, Rotterdam, Alkmaar, Kinderdijk und Haarlem bereits so weit auf die Sprache konditioniert (der Niederländer würde wohl schreiben: «geconditioneerd»), dass ich trotz fehlender Sprachbegabung erahnen konnte, was der Herr von mir wollte. Ich ging also mit ihm in sein Abteil und zeigte ihm den Schalter. Daraufhin rüttelte er wie verrückt an der Trenntür zum benachbarten Abteil und beschwerte sich offenbar, dass diese sich nicht öffnen liess. Ich versuchte ihm zu erklären, dass sich dies so gehöre, wenn man des nachts in Ruhe schlafen wolle. Das schien er einzusehen und bedankte sich schliesslich wortreich. Ich verstand davon jedoch leider nichts, und so liess ich ihn mit einem freundlichen Lächeln wieder alleine.

Zwei Minuten später rumorte es ganz gewaltig nebenan, und unser Nachbar äusserte sich offensichtlich aufgebracht: «Godverdomme» und ähnliches schallte mit groter snelheid und ebensolcher Lautstärke in vielfacher Ausführung aus seinem Abteil. Ein «Can I help you?» meinerseits wurde unter einem weiteren Schwall niederländischer Flüche geflissentlich ignoriert. Offensichtlich zog er es vor, alleine gegen seinen Koffer zu kämpfen, denn mit ebendiesem war er in irgendeiner Art und Weise beschäftigt, als ich ihm meine Hilfe anzubieten versuchte. Ich entfernte mich also unverrichteter Dinge.

Als er sich, nach einer halben Stunde oder so, wieder beruhigt hatte, tauchte er erneut bei uns auf.
«Dranken?» war das einzige, was ich aus seinem Redestrom entziffern konnte, und ich deduzierte messerscharf: Der Herr wollte wissen, ob es hier was zu trinken gebe, oder ob wir was zu trinken bekommen hätten! «Yes», vermeldete ich, und verwies auf die kostenlos verteilten Wasserfläschchen. «Ah, water», konstatierte er, und gab mir zu verstehen, er hätte Anderes im Sinn gehabt. Ich brösmelte irgendwie «koopen» und erhoffte, er verstünde, dass das Wasser gratis gewesen sei, andere Getränke aber käuflich erworben werden müssen. Er dackelte vondannen, nur um gleich darauf stolz mit einer leeren Flasche Prosecco aufzutauchen: «Ik heb eerste klass!» gab er uns stolz zu verstehen, und: «niet gekoopt!». Da er bis über beide Ohren grinste und die Flasche mit stolzgeschwellter Brust präsentierte, schlossen wir, dass das Wasser in der eerste klass von höherer Güte sein musste. Wir gönnten es ihm.

Danach verbarrikadierte unser Nachbar die Tür und begab sich offenbar zu Bett, denn man hörte keinen Mucks mehr.

Am nächsten Morgen trat er dann nochmal auf den Plan: Von Kopf bis Fuss geschmückt mit den Insignien irgend eines Fussballklubs, schleppte er nach Ankunft in Basel seinen Koffer durch den engen Flur im Zug und stieg aus. Damit war für mich klar, dass ich eine Nacht neben dem wohl aussergewöhnlichsten Fussballfan der Welt verbracht hatte. Oder welcher andere Fan würde sich schon in einem Erstklassabteil mit Prosecco die Kante geben? Eben!

Aus der Traum

Ja nun, jetzt ist’s also vorbei. Ab jetzt darf man getrost für die Holländer fänen. Wie’s dazu gekommen ist, möchte ich meiner hochwohlgelöblichen Leserschaft nicht vorenthalten.

Wir begaben uns zeitig in die Bundesplatzfanzone, auf dass wir für den Schweizermatch uns einen Platz ergattern könnten. Wir waren derart zeitig, dass wir noch den vollen Portugal-Tschechien-Match miterleben konnten, ohne allzusehr ins schwitzen zu kommen. Ein ganz klein wenig aufregen musste ich mich aber trotzdem: Da steht eine SWL-Launsch, zu Neudeutsch gelegentlich auch VIP-Lounge genannt, vor der BEKB, und darauf steht der Tschäppu, seines Zeichens Sohn vom Raymond, dem ehemaligen Berner Stadtpräsidenten. Der steht also da, währenddem sich die Portugiesen und die Tschechen aufs Dach geben, und er schaut nicht mal auf die Leinwand! Lange Zeit diskutierte er bloss mit seinen Stehnachbarn, ohne dem Spielgeschehen grosse Aufmerksamkeit zu schenken. Und ich muss es wissen, denn ich opferte ihm meine ganze Aufmerksamkeit, und hätte in der Tat ein Tor verpasst, wenn es denn zwischen der 35. und der 38. Minute ein solches gegeben hätte.

Ja, und dann war dieser Aufwärmmatch vorüber, und man vorbereitete sich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben, als da wären: der Match Schweiz gegen die Türkei (und sonst nichts). Gleich zu Beginn musste ich mit allergrösstem Missfallen zur Kenntnis nehmen, dass Schweizer Fans von sportlicher Fairness wohl nicht allzuviel halten, denn wer bei der Nationalhymne der Gegnermannschaft reinpfeift und -buht, der hat meiner Meinung nach den Sportsgeist weder mit Löffeln noch in homöopathischen Dosen gefressen. Und ein wahres Pfeifkonzert war sie, diese Türkische Nationalhymne. Ich habe mich hervorragend aufgeregt.

Zum Ausgleich habe ich bei der Schweizer Hymne abwechslungsweise Deutsch, Rätoromanisch und Französisch gesungen. Glücklicherweise stand direkt vor mir ein Schweizer Fan mit einem T-Shirt, das den gesamten Text in allen 4 Landessprachen am Rücken aufgedruckt hatte (mein Italienischakzent ist so schrecklich, dass ich diese Sprache ausgelassen habe).

Und dann spielten sie, und schossen ein Tor, man jubelte, es regnete und hörte wieder auf, die Türken glichen aus, es hörte auf zu regnen, die Nachspielzeit brach an, die Türken gingen in Führung, und schliesslich und endlich war der Traum ausgeträumt. Pech gewesen.

Glück hingegen ist, wenn man danach noch durch die Stadt streift auf der Suche nach diesen Bierbechern, etliche davon findet, und für jeweils 2 Franken an einem Getränkestand zurückgeben kann. Ich bin sicher, ich habe mir meine Biere von heute Abend beinahe finanziert durch meine Such-Und-Zurückbring-Aktion.

Und morgen gleich noch einmal! oder? Mal schauen.

Der Match. Das Konzert.

«Eifach nid vou dribisse, sondern gaaaanz süferli dranne knäbberle!» hatte mir der Bolzli eingebläut, mir Anweisungen für den Konsum einer Orischinal-YB-Wurst gebend. Dank seiner Warnung bin ich tatsächlich sehr vorsichtig zu Werke gegangen, als es darum ging, mich fleckenfrei durch die Wurst zu schnabulieren. Aber es nützte alles nichts: Gerade hatten meine Zähne den heissen Rinderdarm schüchtern gekitzelt, da – *fffttttt* – spritzte eine fettige Suppe auf meine Jacke und mein rechtes Hosenbein. Ab dem Zeitpunkt glänzte ich rundum wie eine frischgewachste Bowlingbahn, und auch die Finger klebten mittlerweile so, als ob ich sie in wilden Honig getunkt hätte. Das tat zwar meiner äusseren Erscheinung einen kleinen Abbruch, aber am Schuttmätsch muss man ja auch nicht tiptop aussehen. Schliesslich geht man ins Stadion, weil sich auf dem Spielfeld 22 Mannen um einen Ball prügeln, und das ist dann spannend.

Sagt man zumindest. Aber die Kritik populärer Sportarten ist meine Sache nicht. Schwenken wir deshalb zum angenehmen Teil des Abends, und das war die Musik.

Die spielte 10 Minuten nach Abpfiff, und alle, alle wollten sie auf den Rasen, möglichst nahe vor die Bühne, und weil es nur einen Aufgang aufs Spielfeld gab, drückten sich alle, alle dorthin, und so standen denn auch wir noch im Gedränge, als bereits Blues durchs Stadion hallte. «I ha ne  Wohnig wo mr gfaut, u i ha mr e Meersou kouft» konnte man zwar auch im Gedränge der Gänge mitsingen, aber das ist halt noch nicht das volle Erlebnis. So drückten und quetschten und drängten und müpften und ellbögelten denn auch wir, was das Zeug hielt, und bevor wir’s uns versahen, standen wir auf dem Kunstrasen und befanden uns zmitz drinn statt nur dabei.

Ja, der Kunstrasen. Ich habe herausgefunden, woraus der besteht. Wenn immer ein Gnägi seine Dienstpflicht erfüllt hat und ausgemustert wird, wandert es in einen grossen Trichter mit einer Häckselmaschine unten dran, und kommt auf der anderen Seite als Kunstrasen heraus. Anders ist es kaum zu erklären, dass das «Gras» im Wankdorf so ziemlich genau den olivgrünen Farbton eines Trikothemdes-72 hat. Immerhin ist aber dieser Kunstrasen robust genug, eine grosse, grosse Menschenmenge zu ertragen, und in ebendieser Menschenmenge habe also auch ich mich befunden, und ich kann nun sagen, dass sich der Eintritt und die fettigen Kleider und die schmierigen Finger gelohnt haben. Büne Huber und seine Mannen– pardon: Kuno Lauener und seine Mannen haben schöne Musik gemacht – und laute noch dazu! – und haben eine Stunde lang Vollgas gegeben. Leider ohne Toucher und Chinasky, aber immerhin.

Und wenn’s jetzt böse Kommentare hagelt, weil ich einer dieser Modefans bin, die nicht (nur) wegen des Matches da waren, so kann ich damit leben.