Wenn ein Brief einen Brief enthält

Kürzlich erhielt ich wieder einmal Post von der Post. Dem Couvert, etwas grösser als ein normaler C5-Umschlag, entnahm ich zuerst das Begleitschreiben. Dieses begrüsste mich mit den Worten

Geöffnete Sendung

und fuhr wie folgt fort:

Sehr geehrter Herr Friedli

Die Sendung in der Beilage wurde irrtümlich einem falschen Empfänger zugestellt und von diesem geöffnet.

Wir entschuldigen uns bei Ihnen für dieses Vorkommnis und danken Ihnen für Ihr Verständnis.

Freundliche Grüsse

Die «Beilage» entpuppte sich dann als ziemlich gebeuteltes Couvert meines Arbeitgebers mit meiner November-Lohnabrechnung drin. Schön! Nun weiss also eine wildfremde Person, was ich verdiene. Oder auch nicht, denn unsere Lohnabrechnungen sind derart kompliziert, dass eigentlich nicht einmal ich weiss, wieviel Lohn ich erhalte.

Schön finde ich, dass die Post bereits weiss, dass ich Verständnis aufbringe. Sonst würde sie mir ja nicht dafür danken, sondern mich darum bitten oder zumindest darauf hoffen. Aber von einem Staatsbetrieb darf ich wohl erwarten, dass er mich besser kennt, als ich mich selber. Schliesslich finanziere ich ihn mit meinen Steuern (die ich wiederum mit dem Geld bezahle, das auf der falsch zugestellten Lohnabrechnung ausgewiesen ist. Und auch dieses Geld besteht wiederum wohl zu einem Teil aus Steuergeldern. Hui, ist das kompliziert!)

Bevor mir jetzt der Kopf brummt, wünsche ich eine gute Nacht.

Gute Nacht!

Salve! Oder doch buongiorno?

Ferien im Tessin sind schon eine ganz famose Sache! Jedermann weiss: Im Tessin, da scheint immer die Sonne, im Tessin, da werden Rotwein getrunken und Polenta gegessen, im Tessin, da sind die Menschen freundlich und die Tiere lecker, im Tessin, da grünen die Bäume und blühen die Blumen und sowieso ist im Tessin die Welt einfach in Ordnung, denn hier herrschen italianità und vino rosso!

Kein Wunder also, dass wir eine Woche im sonnigen Süden der Schweiz verbrachten. Und da ein altes Sprichwort uns lehrt, dass einer, so er denn eine Reise tue, von derselbigen auch etwas zu erzählen habe, wollten wir unsere zweifelsohne interessanten Erzählungen mittels Postkarten in der Welt verbreiten, schliesslich gebietet schon der Anstand – der mir bekanntermassen innewohnt -, Freunde, Bekannte und entfernte Verwandte über ferienhalber Erlebtes stets auf dem neuesten Informationsstand zu halten.

Postkarten hatten wir bereits Anfang Woche gekauft – nicht, dass das noch vergessen geht, neinnein, da sind wir organisiert, da denken wir dran, da überlassen wir nichts dem Zufall! Mit schreiben haperte es hingegen ein wenig, denn wie gesagt scheint im Tessin immer (immer!) die Sonne und es ist sommerlich warm (35°C+, auch im Spätherbst, schon klar!), und so kommt man vor lauter schwitzen gar nicht zum schreiben, denn wer bekäme denn schon gerne eine Postkarte mit Schweisstropfen zugeschickt, also ich jedenfalls bestimmt nicht, und so harren also immer noch die Karten ihrer zugedachten Tinte. Siedendheiss fiel mir dann heute Morgen auch noch ein, dass eine Reise mit der Post auch für ein nur wenige Gramm schweres Stück Karton nicht umsonst ist, und man – als Fahrkarte sozusagen – dieses mit einer Briefmarkte zu versehen hat, will man den zuverlässigen Transport sicherstellen. Da morgen die Heimreise dräut und heute Samstag ist, blieb keine andere Möglichkeit, als den Erwerb der benötigten francobolli noch heute zu bewerkstelligen. So quälte ich mich notgedrungen in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett, denn die Post schliesst samstags bereits um 11 Uhr (!), und machte mich auf den Weg zum ufficio postale, kaufte venti francobolli, per favore, graziearrivedercibuonadomenica, und stapfte den steilen Weg zurück zum Häuschen.

Auf dem Rückweg begegnete ich anderen Frühaufstehern, kein Mensch weiss, was die bereits um diese unchristliche Zeit aus den Federn getrieben haben mag! Trotzdem grüsste ich höflich, schliesslich wohnt mir – ich erwähne es gerne erneut – der Anstand inne, und sprach ein lupenreines «Buongiorno» (der regelmässige Leser dieses Blogs mag sich eventuell an mein lupenreines Italienisch erinnern, welches ich vor circa genau einem Jahr bereits einmal thematisiert hatte). Im Gegensatz zu damals wurden mir aber keine widerlichen Brocken züritüüscher Mundart entgegengeschleudert, sondern einmal ein buongiorno, einmal ein ciao und einmal ein salve.

Oooh! «Salve»! Wie ein alter Römer kommt man sich vor, wie Caesar höchstpersönlich, wenn man mit salve seine Mitmenschen begrüsst! Fest nahm ich mir vor, meinen nächsten Grusspartner mit einem innigen salve! zu beglücken und begann bereits mit aufwärmenden Zungenübungen, damit es mir dann auch leichter von den Lippen rollen würde. Bereits vernahm ich hinter der nächsten Ecke der verwinkelten Gassen näherkommende Schritte und mein Puls schoss in froher Erwartung um mindestens das anderthalbfache in die Höhe, die Hände wurden feucht und zittrig und der Mund trocken – ideale Voraussetzungen für einen lateinischen Gruss, der sich gewaschen hatte! Ich setzte an, tief Luft zu holen, um dem unbekannten Entgegenkömmling eine Salve salve! entgegenzuschmettern, da bog dieser um die Ecke und entpuppte sich als älterer, vornehmer Herr mit eingegipstem Arm, dem ich unmöglich mit einem ordinären salve begegnen konnte, weswegen ich halt ein verlegenes buongiorno brösmelte und wie ein geprügelter Hund weiterzottelte.

Es ist wirklich ein Kreuz mit der fremden Sprache.

Und zum Schluss noch dies: Letzte Nacht hat es geschneit. Hier. Im Tessin. Die Welt ist aus den Fugen.

Eine Reise zum Tatzelwurm

Ich hatte für meinen geschätzten und zur Zeit weitweggereisten Mitbewohner, der mittlerweile, wie ich hoffe, wohlbehalten im Neuen Seeland gelandet sein sollte, einige eminent wichtige Briefe der Post zu überantworten, und weil ich die Eigerplatzpost irgendwie unattraktiv, die Schanzenpost aber gar zu gewöhnlich finde, dachte ich mir, ich könnte den Akt des Briefeaufgebens, denn der sollte unbedingt beim Postschalter vonstatten gehen, mit einem kleinen Reisli verbinden. Es trifft sich, dass zufälligerweise in Meiringen die Post sich in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes befindet, und so war die Reisedestination im Nu gefunden, zumal mir eine Reise ins Berner Oberland nicht bloss eine schöne Aussicht in Aussicht stellte, sondern mich Meiringen auch mit einem schmackhaften Dessert in Form eines Tatzelwurmes zu locken wusste, die Freude dessen Genusses mir vor etlichen Jahren zum letzen Mal zuteil wurde. Ich bestieg also um 15:04, denn erst kurz vorher hatte ich diesen geistesblitzartigen Einfall, den ICE in Bern und liess mich chauffieren.

Wahrscheinlich habe ich mich verhört, als ich dachte, der Wägelimann, welcher den Zugreisenden üblicherweise mit «Sandwich-Kaffee-Mineral-Cocacola» zu erfrischen weiss, habe den Gästen «Sandwich-Cola-Bier-Schwips-Bibeli» angeboten, aber vielleicht sind ein Schwips und Bibeli im Zug halt den Passagieren erster Klasse vorbehalten, und so kam ich bislang einfach nie in den Genuss ebensolcher. Als stolzer Besitzer einiger wunderschöner Bibeli, und Nachmittags um halb Vier normalerweise nicht in der Laune für einen Schwips, habe ich heute einmal auf das Angebot verzichtet.

Der Aufenthalt in Meiringen war kurz und geprägt von Briefaufgabe, Tatzelwurmkauf und beissender Kälte am Bahnhof. Immerhin konnte ich auf dem Weg in Brienz einen schönen Schnappschuss quer über den See landen, den ich dir, Leser, Leserin, in gewohnt schlechter Paparazzoqualität zugänglich machen möchte:

Rotschimmerndes Abendglühn

Und um den Beitrag noch vollends abzurunden, sei die hier noch ein Bild von Tatzi gezeigt, unserem Tatzelwurm, von welchen mittlerweile bloss noch der Kopf existiert, wenngleich nicht mehr mit all seinen Zähnen:

Ein Tatzelwurm tatzelt über unseren Tisch!

Ich glaube, somit darf ich mich getrost zur Ruhe legen, schliesslich hat mir dieser Tag nichts mehr zu bieten, habe ich doch schon eine halbe Weltreise unternommen und im Carcassonne so etwas von auf den Sack bekommen, dass mir einige Stunden Bettruhe nur noch gut tun können.

Gute Nacht!

Dicke Post! Dafür leichtgewichtig.

Ich sollte ja nicht unken, noch lästern. Nach einem solchen Erlebnis aber, wie es mir gestern Nachmittag widerfahren ist, kann ich nicht mehr länger schweigen und muss meinem Drang nachgeben, der Welt davon zu erzählen. Und zwar dies:

Unbekümmert sass ich an meinem Platz, der Anonymität halber will ich nicht verraten, wo. Jedenfalls brachte mir eine sympathische junge Frau ein Päckli. Post! Wer mag mir da etwas schicken? Und was wird mir da geschickt? Ui, die Spannung! Ein schönes, weisses Kartonpäckli war das, ungefähr 20 mal 15 mal 2 Zentimeter lang und breit und dick, mit einem blauen Packbändel darum. In Erwartung eines angemessenen Inhalts war ich nicht wenig verwundert ob des geringen Gewichts, und so schüttelte ich es behutsam hin und her, den Inhalt zu ergründen. Irgendetwas klapperte. Da hielt ich es einfach nicht mehr länger aus, zückte das Messer, und im Nu war der Bändel entzweit. Ehrfürchtig klappte ich die Packklappen am Pack auf.

Es geschah genau in jenem Moment, dass meine Neugierde und freudige Antizipation grosser Verwunderung und kurz darauf nicht wenig ungelinder Missbilligung wichen: Zum Vorschein kam nämlich ein bunt bedruckter Flyer im A5-Format mit mitten hindurchgebohrtem Pin. Ein kleiner, blauer Pin mit einem Firmenlogo, einem Fussball und dem Spruch «Mehr Zug aufs Tor!» drauf war das. Abgesehen davon war das Paket leer.

In meinem Kopf formulierten sich die Fragen: Weshalb ein so grosses Paket für einen so kleinen Inhalt? Das macht man doch bloss, wenn man dem Kollegen einen fauligen Fisch oder eine alte Socke in den WK schickt, nicht? Aber doch nicht im richtigen Leben! Wessen Idee war das? Und was hat sich der Gute dabei gedacht?

Nach geraumer Zeit kam ich zum Schluss, dass sich dabei jemand rein gar nichts überlegt hat, und dass, wenn schon die Pensionskasse ein Milliardenloch aufweist, der Konzern mit sinnlosen Paketaktionen ein ebensolches in seine Finanzen zu reissen gedenkt.

Wie gesagt: Ich nenne keine Namen. Der Anonymität halber.