Soll ich, oder doch eher nicht? Ein moralisches Dilemma.

Ich habe Post erhalten. Ein Brief mit der Einladung zur Teilnahme an einer Studie des Schweizerischen Nationalfonds› zum Thema Nachbarschaft in der Schweiz. Obwohl ich wissenschaftlichen Studien gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen bin, so zögere ich doch, hier mitzumachen. Und dies aus einem– nein: zwei ganz bestimmten Gründen.

Doch zuerst sollst du dir das Schriftstück zu Gemüte führen können:

Fällt dir dasselbe auf, wie mir? Wollen wir doch mal schauen.

Erstens scheint der Brief sehr, sehr, seeehr lange gebraucht zu haben, um den Weg vom Institut für Soziologie (Fabrikstrasse 8, 3012 Bern) zu mir zu finden. Über ein Jahr nämlich, wenn man dem Datum oben links Glauben schenken darf: 23.02.2022. Ist diese Umfrage überhaupt noch aktuell, jetzt, im Jahre 2023?

Und selbst, wenn sie es ist, dann gibt es da noch diesen zweiten, in meinen Augen viel kritischeren Punkt. Es stellt sich mir nämlich die Frage, ob ich mich in eine Sache hineinziehen lassen will, bei der ganz offensichtlich Menschenleben vernichtet werden. Denn, lies (und lies genau):

Ihre Kontaktdaten haben wir durch Ihre Einwohnergemeinde erhalten und werden nach der Umfrage vernichtet.

Christoph Zangger und Forschungsteam im Brief vom 23.02.2022

Du verstehst nicht, was ich meine? Gut, spielen wir das gute alte Subjekt-Prädikat-Objekt-Spielchen:

  • «Ihre Kontaktdaten» – Objekt (wen haben wir erhalten?)
  • «haben wir (…) erhalten» – Subjekt (wer hat die Daten erhalten?)
  • «und werden (…) vernichtet.» – Relativsatz, der sich auf das Subjekt im Hauptsatz bezieht.

Wir lesen es also schwarz auf weiss: Nach der Umfrage wird das Forschungsteam vernichtet. Das tut mir leid um die garantiert sehr motivierten und talentierten jungen Frauen und Männer! Und eine sehr wichtige Frage bleibt dabei unbeantwortet: Was geschieht mit meinen Daten, wenn die Umfrage vorüber ist?!

Ach, ein Dilemma. Aber ich fürchte, ich werde das Risiko eingehen, und allen Bedenken zum Trotz an der Umfrage teilnehmen. Schliesslich befand sich im Couvert nebst dem Brief – als Vorschuss quasi – eine Tafel Schokolade. Und damit kann man mich immer ködern. Ich bin einfach gestrickt.

Wenn ein Brief einen Brief enthält

Kürzlich erhielt ich wieder einmal Post von der Post. Dem Couvert, etwas grösser als ein normaler C5-Umschlag, entnahm ich zuerst das Begleitschreiben. Dieses begrüsste mich mit den Worten

Geöffnete Sendung

und fuhr wie folgt fort:

Sehr geehrter Herr Friedli

Die Sendung in der Beilage wurde irrtümlich einem falschen Empfänger zugestellt und von diesem geöffnet.

Wir entschuldigen uns bei Ihnen für dieses Vorkommnis und danken Ihnen für Ihr Verständnis.

Freundliche Grüsse

Die «Beilage» entpuppte sich dann als ziemlich gebeuteltes Couvert meines Arbeitgebers mit meiner November-Lohnabrechnung drin. Schön! Nun weiss also eine wildfremde Person, was ich verdiene. Oder auch nicht, denn unsere Lohnabrechnungen sind derart kompliziert, dass eigentlich nicht einmal ich weiss, wieviel Lohn ich erhalte.

Schön finde ich, dass die Post bereits weiss, dass ich Verständnis aufbringe. Sonst würde sie mir ja nicht dafür danken, sondern mich darum bitten oder zumindest darauf hoffen. Aber von einem Staatsbetrieb darf ich wohl erwarten, dass er mich besser kennt, als ich mich selber. Schliesslich finanziere ich ihn mit meinen Steuern (die ich wiederum mit dem Geld bezahle, das auf der falsch zugestellten Lohnabrechnung ausgewiesen ist. Und auch dieses Geld besteht wiederum wohl zu einem Teil aus Steuergeldern. Hui, ist das kompliziert!)

Bevor mir jetzt der Kopf brummt, wünsche ich eine gute Nacht.

Gute Nacht!

Eine klare Ansage

«Die Post ist da!» dachte ich mir gestern, als ich beim Nachhausekommen die zwei an mich adressierten Couverts auf dem Tisch gewahrte. Ich freue mich stets über Briefpost. Sie ist der Beweis dafür, dass jemand an einen gedacht hat: Sei es die Steuerbehörde, die das Schmieröl für die Volkswirtschaft einkassieren will, sei es die Lohnabteilung der Firma, die den monatlichen Lohnzettel verschickt oder sei es einfach ein Marketingfritz, der seine Reklame in den Briefkasten flattern lässt. Jedenfalls kann man bei jedem Brief den Absender ohne grosse Probleme eruieren.

… aber kann man das wirklich … ?

Der eine Brief stammte unverkennbar vom SEV, der Gewerkschaft des Verkehrspersonals. Da bin ich selbstverständlich Mitglied. Schliesslich macht man da ab und zu lustige Ausflüge, geht zum Beispiel das Bundeshaus besuchen und kann so live in der Session dabei sein und am Abend wird einem sogar noch das Znacht im alten Tramdepot bezahlt (leider nicht die Getränke, aber immerhin).

Der andere Brief war von aussen keinem Absender zuzuordnen. Lediglich meine Anschrift und eine A-Post-Marke waren zu sehen. A-Post, immerhin! Es musste sich also um etwas Wichtiges handeln. So griff ich flugs zum Brieföffner und schlitzte den Umschlag. Was darin zum Vorschein kann, will ich der grossen weiten Welt nicht vorenthalten. Siehe:

Drohend zeigt sich der Schriftzug.

Sonst nichts.

Ich schaltete sofort, war ja auch nicht weiter schwer: Da findet jemand, der regelmässig ein Stück einer meiner Züpfen verzehrt, ebendiese zu schmalzig und fordert für mein nächstes Backwerk den strikten Verzicht auf Butter.

Ich reagiere auf diese feige Forderung hinter anonymem Schutzschild, indem ich in die nächste Züpfe extra viel Schweineschmalz packe. 150 Gramm, oder sogar noch mehr. Und dann esse ich die ganz alleine. Oder aber ich führe endlich die lange versprochene Verköstigung durch … Interessierte mögen sich bitte nicht melden. Ich kenne sie bereits.