Trinkbarer Wasserpfeifenrauch

Das Interessante daran, in einer WG zu wohnen, ist ja, dass einem zwar alles gehört (denn: in einer Gemeinschaft ist ja wohl alles gemeinsam. Von der Unterhose über den Fusspilz bis zum abgelaufenen Joghurt im Kühlschrank), man aber andererseits nicht für alles verantwortlich ist, was da so eingekauft wird. So kann es mitunter vorkommen, dass einem beim Kramen im Teekämmerlein ein Kräutchen unterkommt, dessen man vorher noch nie habhaft geworden war, und welches demzufolge eine besondere Faszination auf den Finder ausübt. So ist’s mir vor einer halben Stunde ergangen: «Christmas-Tea», steht auf dem Säckchen, welches ich zutage förderte, und: «Aromatisierter Rooibos-Tee». Das tönt doch schon mal interessant!

Klar: Ein alter Tee-Faschist wie zum Beispiel Herr A. R., den ich nicht erst seit dem Studium – seitdem aber näher – kenne, verschmäht alles, was nicht reinrassiger Schwarztee ist und nach altüberlieferter Tradition in mühevoller Handarbeit zubereitet wurde. Wer seinen Tee gerne mit Milch oder Zucker zu geniessen pflegt, wird von A. als Banause (bestenfalls!) tituliert und kann sicher sein, während zweier Wochen von ihm keine Beachtung mehr zu geschenkt zu bekommen. Wer Beutelschwarztee trinkt, kann froh sein, die Begegnung mit A. überhaupt zu überleben, zumal jener in der Lage ist, einen derartigen Frevel 100 Meilen gegen den Wind zu wittern.

Wie dem auch sei – in meiner Wohnung fühle ich mich derart behütet, dass ich mich erdreistete, den aromatisierten Weihnachtstee aufzubrühen. Was ich, im Nachhinein betrachtet, besser unterlassen hätte.

Bereits der olfaktorische Ersteindruck gemahnte mich an einen bekannten Duft, den ich aber noch nie mit Tee in Verbindung gebracht hatte. Eindeutig roch ich hier den blumigen Duft frischen Wasserpfeifendampfes, der, meiner Erinnerung nach, vornehmlich nach Rosen, Apfel, Kirsche, Melone oder Minze riecht. Oder nach jeder anderen erdenklichen Geruchsrichtung.

Etwas skeptisch geworden schlürfte ich den ersten Schluck und fand den geruchlichen Befund bestätigt: Was hier vor mir in der Tasse wogte, war eindeutig trinkbarer Wasserpfeifenrauch, ein Umstand, der mich doch erheblich befremdete. Schliesslich ziehe ich es – wenn schon – vor, gemütlich am Schlauch zu nuckeln, um den Rauch in meine Lunge zu befördern. Denselbigen zu trinken behagt mir, so musste ich leider feststellen, nicht gar so sehr. Da kann ich wohl froh sein, dass der Tee uns allen gehört – so muss ich ihn zumindest nicht alleine fertig trinken.

Prost!

Scho vrruckt, we me dänkt.

Heute war ich wieder einmal in der Stadt, und da es nieselregnete, marschierte ich unter den Lauben dahin, inmitten der warmen Menschenmeute, derartig geschützt gegen Nässe und Kälte. Ich war gerade in Gedanken, als mir Klänge eines Cellos ans Ohr drangen und ich den Blick hob. Da sass eine junge Frau in der Laube, das Cello artgerecht zwischen den Beinen eingeklemmt und schrammelte apartiglich auf den Saiten umenand. Hübsche Klänge entlockte sie derart dem Instrument, sie schien zu wissen was sie tat und tat es mit Hingabe und einigem Können, wie mein Kennerblick umgehend feststellte.

Im aufgeklappten Cellokasten, der neben ihr am Boden lag, fiel mir dann unter einem Zehnernötli und einigen Münzen ein Schild ins Auge. Darauf geschrieben stand (sinngemäss): «Danke, dass Sie mir helfen, mein Studium zu finanzieren».

Ich kam ins Grübeln. Zuerst dachte ich: «Schön, dass sich die Frau mit Cellospielen etwas dazuverdienen kann!» Dann dachte ich: «Die macht ihren zukünftigen Beruf jetzt schon zur Einnahmequelle! Clever!» Dann dachte ich: «Eigentlich praktisch, die kann irgendwo hinsitzen, ihren Kasten aufklappen und so einfach Geld verdienen!» Dann dachte ich: «Scho vrruckt, we me dänkt: Ich kann nicht einfach meinen Laptop nehmen, auf eine Strasse sitzen und schon kommt Geld angeflogen, wenn ich vor mich hin programmiere!» Dann dachte ich: «Wenn ich als Student Geld verdienen will, muss ich mühsam irgendwo ein Inserat machen und meine Dienste zu Spottpreisen anpreisen!» Dann dachte ich: «Zum Glück habe ich schon einen Job.»

So konnte ich schliesslich glücklicherweise meinen Weg sonder Groll fortsetzen.