Geschichten aus dem Bus

Ich stieg in den Bus, noch 9 Minuten bis Abfahrt, und setzte mich ganz hinten hin. Da stieg ein anderer ein, gewisse Leute würden ihn wohl einen Randständigen nennen, andere vielleicht Penner, ich aber sage: ganz im Gegenteil, das war einfach einer, der weiss, wie der Hase läuft, denn beim Einsteigen rief er seiner draussen wartenden Freundin lautstark zu: «I warte itz ämu sicher nid voruss, es isch huere Chaut, u dä dahie fahrt ja ersch i 8 Minute, u üse ersch i 10!»

Hesch rächt, dachte ich mir, und als er sich dann neben mich setzte und noch mal «Sicher früüreni mr nid da usse dr Arsch ab» vor sich hinbrummelte, sagte ich zu ihm: «Du hesch rächt!»«Gäu!?»«Ja eh! I miech das ömu o so.»«Ou, dasch guet! Wart, säg ere das grad säuber!»

Und schon gestikulierte er wie wild in Richtung seiner Freundin und bedeutete ihr fuchtelnd, mal näher zu kommen, obwohl ich abwehrte: «Nenei, isch scho guet, wott mi da nid iimische.»

Trotzdem liess er es sich nicht nehmen, seiner Freundin wenigstens noch ein «Uuuh, isch das schön warm hie inne!» durch die geschlossene Türe zu zurufen.

Er setzte sich wieder. «Was büglisch de du?» wollte er von mir wissen. «Informatiker», antwortete ich, und jetzt ging’s los: «Ah, de chani di öppis frage! I ha deheim e Computer, u da wetti itz sone Funkwäuenempfänger inschtalliere. Sone SRT-Empfänger.» Leider konnte ich ihm nicht weiterhelfen, wusste ich doch nichtmal, was ein SRT-Empfänger überhaupt ist.

«Okay. De chasch mr vilech säge, werum mis Handy nid geit, woni mr hüt kouft ha. Kennsch di us mit Handys?» Mein «Mässig bis soumässig» enttäuschte ihn schon zum zweiten Mal. Daraufhin wollte er wissen, was denn so mein Schwerpunkt sei, was ich wahrheitsgetreu mit «Programmiere» beantwortete.

«Hm, de machsch du so Programm für Prozässe, oder wie?»«Ender gäge weni. I programmiere eigentlech Website«, was ja nicht ganz unwahr ist.

«Aaah. Wi mues i de das mache, wenn i o e Website wott?» Super. Was für eine Frage. «Chunnt haut ganz drufa, was de genau wosch», versuchte ich meine Haut zu retten. «Eeh – dass me mi fingt, weme uf mini Adrässe klickt. So mit Föteli. U chli kreativ sy.»

Schon wollte ich mit erklären beginnen, dass es da fixfertige Software gebe, die man einfach auf dem Server installiere, und dann könne man Fotos hochladen und kreativ sein nach Lust und Laune, kam aber nicht mehr dazu. «Är fahrt ab!!!» schrie seine draussengebliebene Freundin und meinte mit är zweifelsfrei den Bus. Mein neuer Freund juckte auf und verliess mit einem «E schöne no» fluchtartig den Bus. Ich hörte ihn draussen noch sagen: «Uuuuuuh, das isch itz schön warm gsi dert inne!» und dann fuhren wir auch schon ab.

Aus dramaturgischen Gründen nicht wiedererzählt habe ich jetzt, was der Mann, als er noch zur Schule ging, einmal mit einem Trolleybus angestellt hat, als ihm dieser vor der Nase wegfuhr. Nicht nur aus dramaturgischen Gründen nicht, sondern auch, um nicht zur Nachahmung anzustiften. Schliesslich will ich nicht daran Schuld sein, wenn fortan allen zu früh abfahrenden Trolleybussen die Stromabnehmer an den Schnüren heruntergerissen werden, so dass der Chauffeur hocherzürnt dem Missetäter bis zum Rosengarten nachrennen muss.

Jäja, das sind Geschichten! Die machen müde! Darum:

Gute Nacht.

SJO minus Rico – geht das?

Es war ein wunderbarer Abend, zweifelsohne! Gut, was könnte ich auch anderes schreiben über eine Monday Big Band Jazz Night im Hübeli. Das ist inmer wunderbar. Heute war eine Tribute-Night to Pat Metheny angesagt, und es hat von vorne bis hinten gerockt!

Bis zum Zeitpunkt, an dem Till Grünewald die Band ansagte.

«Itz chömemer zum letschte Stück, u i möcht wi immer zu däm Zytpunkt d Band asäge. Eine vo üs het hüt si letscht Uftrit gha mit üs, är geit uf New York u mir wärdene vermisse. Es isch niemer anders aus dr Noisy Bastard in the Back, dr Rico Baumann!» tat er dem Publikum, in dem auch ein sprachloser und zutiefst schockierter fritteli sass, kund. Was, wiebitte? Rico Baumann verlässt das SJO!? Das geht doch nicht!

Im Sommer komme er dann wieder, fuhr Till fort, und sie überreichten ihm nur deshalb jetzt kein Geschenk, weil man bis dahin ja auch gute Aushilfen finden werde.

Ich gebe zu: Wenn die Aushilfe Pius Baschnagel heisst, kann man den vorübergehenden Verlust tatsächlich einigermassen verkraften.

Aber was wird dann zum Beispiel aus Le Rex? Wer trommelt dann da für unseren Pfefferkönig, den King Pepe? Wenn die am 13. Februar in Spiez spielen, sind sie dann rhythmuslos? Ich wage gar nicht dran zu denken. Ich will es mir auch gar nicht vorstellen. Lieber überzeuge ich mich selber davon, dass sie auch ohne Rico eine gute Musik machen. Es bleibt ihnen ja zum Beispiel noch der Andreas Tschopp, und der rhythmisiert ja auch ganz schön gewaltig auf seiner Trombone.

Man wird sehen.

Mir bleibt nun nicht viel anderes, als dir etwas zu wünschen. Und zwar eine

Gute Nacht!

Von der Diffizilität interkultureller Verständigung

Um zum Kern des Beitrags zu kommen, ist eine kleine Ausschweifung am Anfang leider unumgänglich. Du mögest mir verzeihen.

Ich befand mich am Bahnhof, und musste mal. Da ich keine Lust verspürte, mein Geld bei McClean zu investieren, holte ich meinen bereits in der Vergangenheit vielfach und erfolgreich umgesetzten Plan aus der Schublade, den Plan nämlich, eine Zugtoilette zu benutzen. Ich bestieg also den Intercity nach Zürich, weil das gerade der nächste war, und erleichterte mich. Dass der Zug derweil abfuhr, störte mich nicht, damit hatte ich gerechnet. So kam ich also noch in den Genuss einer ruhigen Abendfahrt um halb Acht.

Da wir mit ca. sieben Minuten Verspätung in Züri-Häuptbahnhoof eintrafen, reichte es mir nicht, direkt den Retourzug zu nehmen, und als ich dann auf der Abfahrtstafel sah, dass der nächste Zug nach Bern keinen Speisewagen haben würde, war der Fall klar: Es musste teure Zürchernahrung ihren Weg durchs Mahlwerk meiner Zähne finden. Immer anbieten in so einer Situation tut sich natürlich ein schön zwiebelstinkiger Döner, und da ich an dem Abend keinen Bedarf an frischem Atem mehr hatte, wollte ich mir so ein Ding gönnen.

Bereits vor einigen Jahren berichtete ich über die exorbitanten Preise, welche in Zürich für ein bisschen Hammelfleisch über die Ladentheke wandern (wobei es sich ja in den allermeisten Fällen gar nicht um Hammelfleisch handelt – bei mir war es heute zum Beispiel 100% Schweizer Kalbfleisch). Und selbstverständlich war ich mir der Tatsache bewusst, dass ich mich damals, vor sieben Jahren, grausam über den Preis aufgeregt hatte. Häufig besitze ich ja die bewundernswerte Sturheit, ein Lokal zu meiden, wenn mich der Preis – oder die Freundlichkeit der Bedienung, siehe hier – unangemessen dünkt. Heute aber liess ich mal fünf Gerade sein, und sah grosszügig über die Tatsache hinweg, dass ich im Begriff war, eine Handlung von eklatanter Inkonsequenz zu bestreiten.

Der Mensch wird eben alt und gleichgültig, und so steuerte ich den Dönerstand im Bahnhof an, den bei Gleis 16.

Und nun kommen wir langsam endlich zum Kern des Beitrages, der interkulturellen Verständigung. In diesem Falle handelt es sich um die Kommunikation zwischen einem Berner – mir – und einem Zürcher – dem Dönermann -, welcher aber, ganz untypischerweise für einen Dönermann, nicht einen Dönermannakzent hatte, sondern wirkliches Züritüütsch sprach («schönes» Züritüütsch zu schreiben habe ich nicht übers Herz gebracht). Sein Namensschild wies ihn denn auch als «Marc» aus, und nicht als «Yilmaz» oder «Özgür».

Wie gesagt trat ich an die Theke des Dönerstandes und bestellte «Es Dürüm, bitte.»«Dürüm? Also im Fladebrot?» «Ja, genau.» «Geeern. Wänzi ales drii?»«Ja, mit auem, bitte.»«Wänzi ä scharf?»«Ja, scharf o, bitte.»«Wänzis grad ässe?»«Ja gärn, grad zum ässe, bitte.»

Huiuiuiui, bei soviel wänzi-wänzi wurde mir ein wenig schwummerig. Und wieso siezte mich der Herr? Wenn ich in Bern beim Dönerladen meines Vertrauens ein Dürüm bestelle, dann wird da geduzt, und das ist auch gut so! Sehe ich etwa wirklich so alt aus? Wahrscheinlich.

Während ich also so vor mich hin sinnierte, machte sich der fleissige Marc ans Werk: Fladenbrot in den Ofen, Fladenbrot aus dem Ofen. Dann: Einen riesigen Haufen Tomaten drauf. Ich fragte mich schon, wie da noch etwas anderes nebendran Platz finden sollte, aber item, war ja nicht mein Problem, das Büschelen der Zutaten lag eindeutig in seinem Aufgabenbereich. Dann ein Haufen Salat. Dann Zwiebeln. Dann Rotkabis. Dann Cocktailsauce, dann Joghurtsauce, dann noch so eine rote Sauce, dann noch das Scharf-Pulver. Und zuoberst dann noch das Fleisch.

Und zum Schluss – obwohl ich doch «grad zum ässe, bitte» bestellt hatte, wickelte er den vollgestopften Teigfladen in lagenweise Alufolie ein, steckte das Ungetüm in einen Papiersack und überreichte mir diesen. So ein Lööli, wozu fragt er dann überhaupt, ob ich’s gerade essen wolle, wenn er’s ja doch verpackt, als müsste es einen Atomkrieg überstehen!? Es zeigte mir diese Begebenheit: Die kommunikativ-kulturellen Unterschiede zwischen Bernern und Zürchern scheinen wirklich gross zu sein.

Und auch die pekuniär-monetär-finanziellen Unterschiede: Zehnfrankenfünfzig kostete mich der Spass! Allerdings war der Preis durchaus gerechtfertigt: Noch nie in meinem Leben hatte ich auch nur annähernd so einen grossen Kebap zu bewältigen, und seine schiere Grösse liess mich dann derart lange kauen, dass ich beinahe noch den Zug nach Bern verpasst hätte, denn in der ersten Klasse ist es alles andere als schicklich, mit Kebapsauce die Sitzpolster zu beträufeln, weswegen ich mich für den Konsum auf dem Perron entschied. Am Ende reichte es mir zum Glück dann doch.

Obwohl, wenn ich noch eine weitere halbe Stunde hätte warten müssen, hätte ich mich ja mit dem Döner-Marc unterhalten können. Zwecks Abbau interkultureller Barrieren. Naja, vielleicht nächstes Mal.

Gute Nacht.

Jazz-Jam!

Woooow! Nun kenne ich meine zukünftige Dienstagabendbeschäftigung!

Eigentlich war’s ja nichts als Zufall: An der Litfasssäule sah ich ein Be-Jazz-Plakat und machte zur Erinnerung eine Foto davon. Denn es heisst eine Foto, weil’s von Fotografie kommt, und denjenigen möchte ich erstmal kennenlernen, der das Fotografie sagt. Item.

Die Foto erinnerte mich jedenfalls beim nächsten Start des Computers daran, die Be-Jazz-Website zu besuchen. Und genau da stiess ich durch reinen Zufall auf den Hinweis, dass jeden Dienstag ab 21 Uhr im 5ème étage der Tuesday-Jazz-Jam stattfinde. «Geisch mau ga luege», sagte ich mir also heute, und ich hätte es tatsächlich nicht besser machen können!

Nicht nur, dass man da per Zufall auf einen alten Freund aus universitären Zeiten trifft, nein, beim Erwerb eines Getränks nach Wahl gibt es eine Portion Risotto dazu, die sich gewaschen hat, und da man ja geng no 2, 3 Bier gno het, kam ich also in den Genuss eines vorzüglichen Znachts.

Aber das ist es ja gar noch nicht wirklich: Da wird gejammt, was das Zeug hält! Jazz-Standards obsi u absi! Wer will, betritt die Bühne und spielt, Lukas Thöni war da und hat – wie nicht anders zu erwarten war – brilliert, es war fantasmisch! Aber auch all die anderen, deren Namen ich mir entweder nicht merken konnte – denn das ist so ein bisschen mein Handicap: Namen merken -, oder die gar nicht namentlich erwähnt wurden, weil das da nämlich in vollkommen ungezwungenem Rahmen stattfindet, die haben unglaublich gejazzt, gegrooved und gesoliert, mich hätt’s glatt aus dem Sessel gelüpft, wäre ich nicht so feiss! Wahnsinn!

Ebenfalls anwesend waren der legendäre Rico Baumann und der fabelhafte Klaus Widmer, aber gespielt haben sie leider nicht, jedenfalls so lange ich da war. Als ich mich nämlich nach den Zwülfen mal verabschiedet habe, war der Jam noch voll im Gange. Gut möglich also, dass nach meiner Zeit noch jene des Baumann oder des Widmer gekommen ist, ich weiss es nicht.

Den Rico kann ich jetzt noch ein wenig geniessen. Und zwar ab Konserve, mit 70% Wasser von King Pepe & Le Rex. Bei Le Rex ist der Rico mit dabei, nämlich. Und der King Pepe, abgesehen davon, der ist nämlich auch eine vollkommene Kanone! Was der für Texte schreibt, das glaubt einer alleine gar nicht. Den muss man wahrscheinlich live erleben, um das vollständig erfassen zu können.

So, genug geplappert.

Gute Nacht!

Der Chlupf

Ich deutete an, also muss ich schreiben.

Und zwar den Nachtrag zum Papiliorama-Besuch. Natürlich besuchte ich nicht bloss das Papiliorama, denn wenn man schon mal dort ist, dann gehört auch ein Besuch im Nocturama mit dazu. Dort ist es dunkel und schummrig und deshalb gefürchig, und wer schon mal mit mir im Kino war, wo ein Horror-Splatter-Thriller lief, der weiss, dass ich bei dunkel-schummriger Stimmung mitunter zu einer leichten Schreckhaftigkeit neige, die sich auch schon mal in einem lauten Schreckensschrei manifestieren kann.

Ich wandelte also durch die Dunkelheit und machte beim Faultier einen längeren Halt. Die possierliche Kreatur hatte sich nämlich gerade entschieden, sich zu bewegen: Gemütlich hangelte sie sich am Ast entlang in Richtung einer Fensterscheibe, vor der ein Netz gespannt war. Dann begann der faule Kerl mit seinen Klauen am Netz zu klauben und zupfen und reissen, und für einen Moment sah es ganz danach aus, als wolle er sich daran herunterhangeln.

Was er dann aber nicht tat, sondern wieder in lethargischen Schlummer verfiel. Mir wurde auch allmählich lethargisch zu Mute, und so wandelte ich weiter, immer noch durch die schummrige Dunkelheit, durch einen niedrigen Tunnel, der vom Faultiergehege weiter führte. Wohl gewahrte ich die etlichen Fledermäuse, die in den Höhlen der Tunneldecke gemütlich kopfüber hingen, aber das macht mir ja nichts aus. Sollen sie doch hängen, wie sie wollen, die kleinen Fledermäuslein, das sind ja liebe Tiere, die tun einem nichts, und die sind ja auch gar nicht wach, nein, die schlaAAAAAAAH!– wäre es mir beinahe entfahren, hätte ich nicht glücklicherweise den Mund geschlossen gehabt, als mir so ein Flattermann keine zwei Millimeter über die Frisur düste! Die Lethargie war verflogen, und obwohl man im Nocturama ganz still sein muss, klopfte mir mein Herz mit gefühlten 110 dB(A) bis zum Hals. Und das in meinem Alter!
Ich machte mich hurtig von dannen. Muss mir doch nicht von irgend einer dahergelaufenen Maus in Batmankostüm meine Frisur versauen lassen, also ehrlich! Freche Viecher, das!

Trotz allem hatte ich dann keine bösen Träume, sondern eine

Gute Nacht.