Im TGV Bern – Paris

Was tun, wenn man im RBS-Bähnli von Worblaufen nach Bern merkt, dass es in der Blase zu zwicken beginnt, und man keine Lust auf einen Besuch beim McClean hat, weil der kostet und man urinieren aus Prinzip für ein Grundrecht hält, für das zu bezahlen schlicht absurd ist? Man steigt in den nächsten Zug mit Toilette und erleichtert sich daselbst.

«Mein» nächster Zug war der TGV nach Paris, und ich enterte die erste Klasse. In einem der breiten, weichen Sessel machte ich es mir bequem, denn bevor ich mein Geschäft zu erledigen gedachte, wollte ich die Ambiance noch ein wenig geniessen, die sich mir in Form eines unglaublich charmanten und zuvorkommenden, um nicht zu sagen unerchannt freundlichen Zugbegleiters präsentierte. «Monsieur, désirez-vous bien lire un de ces journaux?» fragte er mich, und ich, mir klar darüber werdend, dass ein TGV mit Destination Paris natürlich von französischsprechendem Personal bevölkert wurde, starrte einen Augenblick auf den dargebotenen «Bund» (Rettet den Bund!) und erwiderte mit einem der Klarheit halber mit Gestik untermalten «Non, merci». So wurde jeder einzelne Reisende im Wagen persönlich gefragt, ob er gerne eine Zeitung zum lesen hätte, und ich fand das einen grausam guten Service, den ich noch in keinem anderen Zug dergestalt erlebt hatte. Wenig später kam derselbe junge, charmante, freundliche, zuvorkommende und nette Zugbegleiter mit dem Wägeli angefahren. «Monsieur désire quelque chose à boire?» frug er mich höflichst. Ich erwiderte auf die erprobte Art und Weise und kam auch dieses Mal ungeschoren davon.

Nicht lange, und ich entdeckte den Kippschalter, der in der Armlehne eingelassen war, und wie ich nun mal so bin, begann ich, daran herumzuspielen. Ich kippte ihn mal so und mal anders, und bei jedem Kippvorgang setzte sich der Stuhl in Bewegung, manövrierte mich bald in eine aufrechte Sitzposition, bald liess er mich halb abliegen, und es war eine derartige Freude, dass ich wohl geschlagene fünf Minuten den Stuhl surren liess.

Diese Art wilder Sitzgymnastik brachte mir aber den eigentlichen Grund meiner Reise wieder zuvorderst ins Bewusstsein, und so besuchte ich endlich die Toilette. Wie das vor sich gegangen sein mag, darf sich der geneigte Leser gerne selber in den blumigsten Farben ausmalen, ich setzte meinen Bericht jedenfalls dort fort, wo ich wieder am Platz sass, und die erste Lautsprecherdurchsage durch den Wagen schwebte.

«Mesdames et messieurs», erklang nach einer aberwitzig komplizierten Erkennungsmelodie, die ich nie im Leben wiedererkennen würde, eine angenehm-erotische Frauenstimme, «nous vous informons que le bar sera fermé entre Pontarlier et Neuchâtel», und dann auf Deutsch: «Meine Damen und Herren, wir informieren Sie.». Aha, soso. Vielen Dank für die Information. Ja, nun weiss ich alles. Mercischön. Mehr zu sagen, wäre auch ein klassischer Fall kompletter Über-Information, im Fachjargon auch Too-Much-Information-Syndrom genannt. Doch halt! Abermals klingelte und bimmelte es im Lautsprecher, und die Frau hob erneut zur Durchsage an: «Mesdames et messieurs, nous vous informons que le bar sera fermé entre Neuchâtel et Pontarlier. Meine Damen und Herren, wir informieren Sie, dass die Bar zwischen Neuenburg und Pontarlier geschlossen ist.» Voilà, geht doch! Da hat wohl einer zuerst den falschen Knopf erwischt.

In Neuenburg schliesslich stieg ich aus. Ohne Bar, sagte ich mir, kannst du auch gleich in der Schweiz bleiben. Während der halben Stunde Wartezeit auf den Zug zurück nach Bern flanierte ich ein wenig durch die abendlich-dunkle Neuenburgerstadt, und erneut stellte sich ein leichter Druck in der Blase ein, dessen ich mich wiederum im Zug, diesmal einem BLS-Regioexpress, entledigte. Die weitere Fahrt verlief derart ereignislos, dass es sich nicht lohnt, darüber weitere Worte zu verlieren. Freuen wir uns einfach ob der einigen Genitive, die ich im Text eingeflochten habe!

Der Schwimmer

Heute wurde ein altes Trauma meiner Kindheit aufgearbeitet: Die tiefsitzende Abneigung gegen das Muubeeri.

Das Muubeeri, das ist ein Hallenbad, in welchem wohl ein Grossteil der stadtbernischen Schülerschaft den Schwimmunterricht über sich ergehen lassen muss, jedenfalls zu meiner Zeit war das so (jaja, wo mir no sy jung gsi, nidwahr!), und da auch ich zu meiner Zeit zum Grossteil der stadtbernischen Schülerschaft gehört habe, genoss auch ich den Schwimmunterricht im Muubeeri, und ich habe ihn gehasst. In der fünften Klasse kaum fähig, mich länger als drei Sekunden über Wasser zu halten, kriegte ich vor der Schwimmlektion am Montagnachmittag immer Angstzustände und das nervöse Herzflattern. Ertrunken bin ich schlussendlich nie, ein Umstand, den ich meinem Schicksal hoch anrechne.

Heute aber kann ich mich über Wasser halten und tue dies sogar noch ganz gerne, und auch die Fortbewegung im kühlen Nass ist mir nicht mehr ganz fremd. Ich ging also schwimmen.

Schon beim Betreten des Gebäudes wäre mein Vorhaben aber beinahe gescheitert, denn nach erfolgtem Zahlvorgang wollte ich durch die vermeintliche Schwingtüre in den inneren Bereich gelangen. Die Vermeintlichkeit der Schwingtüre entpuppte sich aber als angeschraubtes Brett, worauf mich die Verkäuferin durch den in den letzten 15 Jahren ganz offensichtlich modernisierten Eintrittsprozess lotste. Wie beim Skilift musste ich das erhaltene Billett an einem Drehkreuz in den Schlitz stecken und erhielt dergestalt Einlass. Ich war drin!

Zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben zog ich mich in der Muubeeri-Herrengarderobe um, denn zu meiner Zeit, da suchten wir selbstverständlich die Knabengarderobe auf, wie sich das für zarte Elfjährige gehört.

Das Heruntersteigen der Treppe von den Duschen zum Schwimmbecken erhöhte meinen Ruhepuls auf geschätzte 180 Schläge pro Minute. Kein Wunder, war ich doch im Begriff, die Horrorstätte meines fünften und sechsten Schuljahres nach langer Zeit zum ersten Mal wieder zu betreten. Bang schritt ich die letzten Stufen hinab und trat in die Halle. Mich empfing der sattsam bekannte Geruch von Chlorwasser, das Plätschern und Plantschen von Schwimmern und aquafitexerzierenden alten Leuten und ein Kribbeln in der Bauchgegend, das mir klarmachte, dass es nun kein Zurück mehr gab. Ich musste das Badetuch auf einer überdimensionalen Stufe deponieren und mich ins Wasser wagen.

Zuerst aber musste ich mich mit den Verkehrsregeln und Gepflogenheiten der Badeanstalt vertraut machen. Zum Glück ist an der gegenüberliegenden Wand ein grosses Schild befestigt, das den unbedarften Besucher, also mich, über die Einteilung des Bassins informiert:

Bahn 1: Vereine und Schulen
Bahn 2: Brust- und Crawlschwimmen
Bahn 3: Kreisschwimmen
Bahn 4: Andere

Ich nahm mir vor, zum Pinkeln Bahn 4 zu wählen, wenn’s denn nötig würde, und pflanzte mich vorerst am Beckenrand bei Bahn 3 auf. Ich war auf das Schlimmste gefasst: Die Wassertemperatur in öffentlich-rechtlichen Badeanstalten pflegt sich ja stets nahe dem Gefrierpunkt zu befinden, und ich als Gfröörli schätze dies mitnichten. Deshalb sondierte ich erstmal vorsichtig, ganz vorsichtig, mit dem grossen Zeh. Zu meiner angenehmsten Überraschung war das Wasser angenehm Badewarm, und ich liess mich schon fast wonnig hineingleiten. Um exakt 10:45 stiess ich mich vom Beckenrand ab und schoss wie der Teufel von kräftigen Schwimmstössen getrieben durch das Wasser. Vor meinem geistigen Auge sah ich Michael Phelps mich neidisch vom Beckenrand aus beobachten, und nur wenig später hatte ich den anderen Rand erreicht, machte Kehrt und absolvierte eine weitere Länge.

Als ich schwer atmend nach etwa — meinem Zeitgefühl nach zu urteilen — einer Stunde wieder mal auf die Uhr sah, war es 10:48. Hoppla. Knapp 3 Minuten geschwommen und schon kaputt? Das konnte doch nicht sein! Ich zwang mich nochmal zu einer Doppellänge, und musste mir um 10:50 eine Pause gönnen, den Puls mittlerweile auf etwa 360 Schlägen pro Minute.

So setzte ich mich auf eine der überdimensionierten Stufen und schaute dem Treiben von oben zu, derweil ich ein wenig Atem zu schöpfen gedachte.

Auf Bahn 1 kämpften sich aquafitexerzierende alte Leute ab, unter ständiger Beobachtung der Trainerin, die ihnen Anweisungen erteilte: «Itz machet dr 30 Sekunde skating und aaschliessend füf Froschhüpfer», tönte es etwa, oder: «Sehr guet! Itze zwo Minute skipping mit Albatros!» Das wellenartig an- und abschwellende Plätschern der Badenden und Schwimmenden verhinderte leider, dass mir weitere Anweisungen mit zoologischem Hintergrund zu Ohren kamen. Mein Blick schweifte weiter zu Bahn vier und wurde des schlohweissen Herrn ansichtig, der zeitgleich mit mir das Bad betreten hatte und nach wie vor im Wasser am Beckenrand auf und ab zu trippeln schien, die Brille mutig auf der Nase, schliesslich ist es nicht ganz ungefährlich, im Wasser bebrillt zu sein, wie schnell geht so ein Nasenvelo verloren, wenn mal die hohen Wellen kommen! Und Wellen hatte es durchaus, denn im Gegensatz zu mir schienen die anderen Schwimmer besser konditioniert zu sein und zogen mit Bugwelle und unter Gischtgespritze ihre geschwinden Bahnen.

Nach ungefähr 15 Minuten hatte sich meine Atemfrequenz auf ein erträgliches Mass reduziert, und auch der Herzschlag war wieder beim Ruhepuls von 180 bpm angekommen, so dass ich es für geboten hielt, mich auf den Nachhauseweg zu machen, denn mehr als fünf Minuten schwimmen scheine ich derzeit nicht zu verkraften, zumal sich mir beinahe ein leichter Kopfschmerz zu nähern drohte, ganz wie anno dazumal, als ich die Badeanstalt noch unfreiwillig besuchte. Es hat sich in den letzten fünfzehn Jahren dortdrin also ausser des Eingangsbereiches kaum etwas geändert.

Thomas the Tank Engine!

Tschuu-tschuuuu! tönt es zur Zeit aus meinen Lautsprechern. Per Zufall bin ich auf Thomas the Tank Engine gestossen, von welchem es auf YouTube unzählige Episoden zu geniessen gibt. Mir als ferrophilem Zeitgenossen beschert dies natürlich Stunden und Stunden grössten Vergnügens, weshalb ich mich denn nun auch nicht mehr länger mit diesem Eintrag beschäftigen möchte, sondern mich wieder dem Filmvergnügen zuwende. Obgleich hier noch gesagt sein muss, dass dies für einen, der wie ich bei einem Eisenbahnunternehmen beruflich tätig ist, selbstverständlich unter der Rubrik Weiterbildung abgebucht wird.

Ein «feiner» Zopf

Ich war also letzten Samstag in der Marktgassemigros, um einzukaufen. Denn die Haare schneiden lassen kann man sich dort nicht, und auch als Kino eignet sich ein Einkaufszentrum nur bedingt, weswegen ich auch nicht weiter mit ungewohnten Tätigkeiten, die man in einer Migrosfiliale tun kann, herumexperimentiert habe sondern mich auf den eigentlichen Zweck meiner Anwesenheit beschränkte, nämlich dem Einkauf einer Ente.

Eine Ente sollte es sein, denn mich gelüstete, das Rezept zu kochen, das im Kochbuch steht, das im Regal steht, das in unserer Wohnung steht, nur leider hatten sie keine Enten, die seien nach Weihnachten immer ziemlich schnell ausverkauft, und dann gebe es eigentlich keine mehr, so wurde ich aufgeklärt. Schade. So verlegte ich mich aufs Alternativprogramm, und auf der Suche nach den Hamburgerbrötli traf ich auf folgendes Schild mit Werbung drauf:

Ein «feiner» Zopf. Was auch immer das bedeuten mag.

Ich ward skeptisch. Es wird einem ein ««feiner» Zopf» feilgeboten? Wieso denn «fein»? Welche geheime bedeutung hat dieses Adjektiv im Migros-Jargon, dass man es in Anführungszeichen setzen muss? Ist der Zopf am Ende gar nicht so fein, wie dem Kunden weisgemacht wird?

Alle vorsichtigen und wohlüberlegten Miterdenbürger werden mir zustimmen, dass Augen-zu-und-weg die einzig vernünftige Reaktion auf so ein Plakat ist. Ich jedenfalls weiss, weshalb ich meine Züpfen nicht in der Migros kaufe, sondern selber backe! Da weiss man, was man hat! Es sei denn, man mischt den Teig im Zustand fortgeschrittener Müdigkeit und stellt am nächsten Tag fest, dass wohl mehr als die Hälfte des Mehls Ruchmehl war. Aber, wenn ich ehrlich sein darf, schmecken tut sie trotzdem, die Neueste.

Was ich schreiben wollte

Jaja, ein gutes Neues und alles, halten wir uns nicht unnötig mit ollen Kamellen, um ein mir leider nicht allzu geläufiges, dafür umso interessanteres Sprachkonstrukt zu verwenden, auf.

Zuerst wollte ich ja schreiben: «liest «Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittau»», und weil dies als Statusmeldung in Facebook angedacht war und deshalb automatisch mit Manuel Friedli präfixiert worden wäre, hätte sich daraus sogar ein komplettes Satzkonstrukt ergeben (dies war bereits das zweite «Konstrukt» in diesem Beitrag). Dann aber dachte ich mir, es wäre vielleicht besser, zu schreiben: «hat sich ein weiteres Buch von Max Goldt erstanden!!!», was mich aber auch nicht recht zu befriedigen vermochte, zumal die drei Ausrufezeichen am Satzende doch ein bisschen gar platt daherkommen. Daher besann ich mich eines Besseren. Ich erinnerte mich, vor geraumer Zeit einen Kommentar zu einem älteren Beitrag erhalten zu haben, worin sich die Leserin höchst löblich über mein Geschreibsel ausdrückt, und ich empfand es als an der Zeit, ihr neuen Lesestoff darzubeiten, zumal ich besagte Person weder persönlich noch vom Hörensagen kenne, und ihr deshalb einen ganz besonders zuvorkommenden Service schuldig bin, schliesslich verirrt sich nicht alle Tage ein Mensch auf diese meine Seiten und lässt dabei erst noch einen netten Kommentar liegen.

Und so schreibe ich nun nach mehrwöchiger Absenz wieder einmal. Wenngleich der Grund ein Trivialer ist, als da wäre: Ich habe mir heute «Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittau» von Max Goldt erstanden. Wirklich ein wahrlich weltbewegendes Werk (man nennt dieses neuerliche Satzkonstrukt eine Alliteration, wenn ich nicht alles komplett falsch verstanden habe und es wieder mal mit der Allegorie verwechsele, von welcher ich nicht einmal weiss, ob man Allegorie oder Alegorie schreibt. Weil aber Alegorie so seltsam aussieht, habe ich mich blindlings für die Doppel-L-Variante entschieden. Ich entfliehe jetzt mal der Klammer). So. Die Doppel-L-Variante, so sagte ich, erschien mir irgendwie richtiger, obschon «richtiger» gar nicht existiert, es kann ja nicht etwas ein bisschen richtig sein, aber halt nicht so ganz, und drum ist etwas Anderes dann eben ein bisschen richtiger.

Ich finde, es ist nun an der Zeit, Ruhe einkehren zu lassen. Morgen erwartet mich ein langer Tag, er hat vierundzwanzig Stunden, und für die muss ich gewappnet sein. Die Statusmeldung auf Facebook muss der Aktualisierung noch ein wenig harren. Soll sie. Ich störe sie nicht dabei.

Gute Nacht.