Velodieb? NEIN!

«Velodieb!» sagte sie, als ich mit gebuckeltem Fahrrad an ihr vorbeizottelte. Reinen Gewissens konnte ich aber mit deutungsvoller Geste in Richtung Hinterrad entgegnen: «Nüt! Pladi!»

Ihr Ausspruch war offenkundig im Scherz getätigt worden, weswegen ich ihr trotz meiner misslichen Situation, die mich gar zum Erwerb eines Trambillets für mein Velociped nötigte, nicht böse bin.

Aber wie kömmt es? Wie in Dreiteufelsnamen kann es sein, dass ich mit dem Velo und luftpraller Bereifung zur Probe in die Kaserne fahre, das Velo innen parkiere und nach der Probe derart böse überrascht werde? Ich kann es mir nicht erklären. Nur eines weiss ich nun sicher: morgen wird gefahrradflickt. Wieder einmal.

Gute Nacht.

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Ich darf flicken.

Oh nein! Schon wieder muss ich mich aufregen! Und das, obwohl mir Friedfertigkeit ohne Ende innewohnt, mein Naturell vor Ruhe und Harmonie strotzt und mir charakterlich eine eine weisse Taube kaum das Wasser reichen kann. Aber es geht nicht anders. Ich muss die Aggression sich ihren Weg durch meine Kehle in die weite Welt bahnen lassen, wo sie sich lauthals tobend Luft verschaffen kann. Der Grund meines Unmuts? Kein Guter.

Denn ich habe meinem Velo heute Morgen einen Pladi eingefahren. Natürlich am Hinterrad.

Und das ausgerechnet, als ich pressieren musste. Es geschieht ja eigentlich immer dann, wenn man es am wenigsten brauchen kann, was aber durchaus auch damit zusammenhängen mag, dass man einen platten Pneu grundsätzlich nie gebrauchen kann. Wohl sah ich die Scherben mir in der Morgensonne auf der Strasse romantisch entfegenfunkeln, einer Schar diamantener Eisvögel im Tau der Morgendämmerung gleich, nur leider mit bissigen Zähnen. Doch hatte ich keine Chance auf Ausweichungen, denn wenn ich fahre, dann fahre ich schnell und Richtungsänderungen müssen bei dieser Reisegeschwindigkeit von langer Hand geplant sein. Man kann sich das in Etwa vorstellen, wie wenn man von der Rosetta nun verlangt hätte, plötzlich doch lieber beim Mars vorbeizuschauen, anstatt dem Tschurjumow-Gerassimenko ein Besüchlein abzustatten. Keine Chance.

Und so sah ich mich also gezwungen, im vollen Bewusstsein, dass ich meinen Pneus damit eventuell das Grab schaufle, durch den Scherbenhaufen zu fahren und konnte nichts tun als hoffen und fluchen, denn beten habe ich nie anständig gelernt.

Und geflucht habe ich, wie ein Wald voller Affen. Über diese gehirnamputierten Eierstockchätscher, diese fahrlässigen Troglodyten, diese Viehhüterbebrünzler und Chlämmerliseck, denen im Suff nichts besseres in den Sinn kommt, als ihre Bierflasche auf der Strasse zu zertrümmern und damit den Wegen aller Velöler Hindernisse sondergleichen angedeihen lassen. Das sind die letzten Menschen auf dieser Welt und ich wünsche ihnen samt und sonders nichts als die Pest an den Hals.

Obwohl man aktuell angesichts der 40 Pest-Toten auf Madagaskar diese Krankheit nicht leichtfertig wünschen sollte. Ich revidiere also meine Aussage von eben und wünsche: Einen Mordsuhuerenkater, auf dass ihnen der Alkoholkonsum mindestens während der nächsten fünf Jahre gründlich verleide.

Aues zäme Affepigger, das.

Immerhin stärkt so eine Flickaktion die Bande zwischen Velo und -fahrer. Und das ist doch auch etwas Schönes.

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HERZLICHEN GLUCKWUNSCH, es hat keine Karte gegeben

Meine Aufforderung, alles über Postkarten zu vergessen, scheint Wirkung gezeigt zu haben: Lediglich ein Mail von Herrn RAUL GOMEZ GONZALES hat den Weg in meinen Postkartenpostkasten gefunden. Demnach habe ich in der spanischen Lotterie «NEUN HUNDERT FUENF UND DREISSIG TAUSEND, VIER HUNDERT SIEBZIG EURO. HERZLICHEN GLUCKWUNSCH!!!» gewonnen. Spannend. Ich wusste gar nicht, dass ich da überhaupt lotteriert hatte. Karte gab’s dann aber trotzdem keine für den RAUL. Er hatte ja seine Adresse nicht im Mail notiert, bloss eine Bankverbindung. Schön blöd. Jedenfalls ist das Angebot einer Postkarte aus Berlin mittlerweile definitiv hinfällig. Ab jetzt gibt’s nur noch Karten aus Bern.

Und dann noch dies! Ich sah mich gezwungen, meinem Velo einen neuen Vorderfinken zu spendieren. Normalerweise flicke ich die kaputten Schläuche ja. Nicht so aber diesmal: Ein knapp zentimeterlanger Riss im Mantel und das Pendant im Schlauch überzeugten mich von der Notwendigkeit, beides zu ersetzen. Habe ich heute getan, bin zufrieden damit und freue mich, morgen wieder zur Arbeit zu fahrradfahren.

Und damit wir alle noch etwas zu lachen haben, mache ich jetzt noch meinen Tippfehler publik, den ich aber wohlweislich noch rechtzeitig korrigiert habe: Im «flicken» nach «Normalerweise» vergass ich das «l». Haha. Wie derb. Gute Nacht.

Quasi eine Taufe auf dem Velo

Ja, so könnte man es wohl nennen. Denn es war die erste Taufe, an die ich mich so aus dem hellterheien Nichts erinnern kann, und (fast) auf dem Velo hat sie auch stattgefunden. Und das kam so:

Mein Mitpfarrer in spe und Bewohner hatte heute, wie es sich für einen rechten Sonntag geziemt, Gottesdienst. Inklusive Taufe, wie sich herausstellen sollte, und inklusive Flamencotanz, wie ich bereits im Voraus gewusst hatte. Und einen Flamencotanz an einem Gottesdienst lasse ich mir nicht entgehen, zumal mir Flamenco derart Fremd ist wienumenöppis, und ich mich, wie der geneigte Leser weiss, stets gerne weiterbilde.

Der Plan war also einfach: Um halbzehn in Bätterkinden in der Kirche sitzen und gottesgedient werden.

Erschwerend hinzu gesellte sich die grosse Lust, den Besuch mit einem Veloausflug zu komibineren, aber was nimmt man nicht alles für Strapazen auf sich, um brandneue Regenbekleidung und brandneue Velokarten und ziemlich neue Fahrräder und ebenfalls ziemlich neue Velotaschen einzufahren, nidwahr, und so läutete der Wecker um sechs, so dass um sieben Uhr abgefahren werden konnte, denn wärweiss, wie lange man auf dieses Bätterkinden radeln muss!

Etwa eine Stunde und zwanzig Minuten, so lange. Und was macht man dann noch eine Stunde lang, wenn alle Beizen geschlossen haben, in einer Metropole wie Bätterkinden? Am Bahnhof im Wartesaal picknicken und im Kiosk nebendran einen Kaffee trinken.

Zur Missa Flamenca will ich nichts sagen, denn da bin ich nicht qualifiziert. Ausser vielleicht, dass es mir primamissima gefallen hat.

Zwei Stunden und ein Apéröli später stellte sich die Frage: Hei oder witer? Weiter lautete die Devise, und was dabei rauskam, mögest du hier ersehen:

Knapp 70 Kilometer von Bern nach Bern

Und dann, kurz nach Buchstabe F, ist es passiert: Ein «Ffft-ffft-ffft»-Geräusch brachte mich dazu, zu verlangsamen und mir meinen Vorderreifen mal genauer anzusehen, und tatsächlich: Er leckte. Und zwar nicht mit der Zunge an etwas Süssem, sondern Luft aus einem Loch. Glücklicherweise hatte ich Flickzeug dabei, und auch eine Pumpe war da (nein, nicht ich auf dem Velo bin gemeint! Eine Fahrradpumpe!), so dass nach einer Viertelstunde der Schaden einigermassen behoben war. Mal abgesehen davon, dass seither die Vorderbremse stets ein wenig zieht, ein Mangel, der sich morgen der Herr Velokrea wohl oder übel mal anschauen muss.

Zehn Stunden und knapp 70 Kilometer nach dem Start waren das Ziel (=Start) erreicht, der Arsch wund und die Beine sauer. So viel zur ersten Rundreise. Es werden folgen deren mehr.

Auf ein Weiteres!