Noch schläft die Baustelle. Ich kann momentan weder klar artikulieren noch richtig schlucken geschweige denn lachen. Alles ist irgendwie taub, sogar die Zungenspitze. Und trotzdem war’s nicht halb so schlimm wie letztes Mal.
Die oberen Weisheitszähne seien generell weniger problematisch zum entfernen, belehrte mich der Herr Dr. Herren. Und er sollte recht behalten.
Es hat ganz gut begonnen: Ich lag auf dem Schragen, musste mit einem bitteren Wässerchen spülen und wurde dann alleine gelassen. Ich schaute mich in der Praxis ein wenig um, und entdeckte ein Fläschen, das mit «Bichsel» etikettiert war. Ob’s auch ein «Friedli»-Fläschchen gibt? Im Hintergrund lief Musik. Ich hörte genauer hin, und tää-dääääh, tää-dää-dääääh, dadammdammdammdammdam-dam, dadammdammdammdammdam-dam, da kam tatsächlich Thriller von Michael Jackson! Super! Die ideale Musik, um mich auf diese Operation vorzubereiten.
Doch schon ging die Türe auf, und ich wurde in grüne Tücher gehüllt, das heisst: mein Kopf. Ja, super! Da hat’s mal eine hübsche Dentalassistentin, und dann werden einem die Augen verdeckt! Aber was soll’s, dachte ich mir, dann schlafe ich halt ein wenig.
Pustekuchen! Ich wurde aufgeschnippelt, und dann gab’s ein Drücken und ein Reissen, und der rechte Zahn baumelte bereits am Haken in der frischen Luft. Puuh, das ist mal überstanden. Dann also auf zum linken Gesellen.
*Schnippel-schnippel*, *hau-ruck*, fertig. … Oder doch nicht? (Mittlerweile lief die w. nuss vo bümpliz. Eine hervorragende Ablenkung in dieser schweren Stunde). «Die Wurzle isch e hartnäckigi!», meldete sich mir im grünen Dämmerlicht des Doktors Stimme. Da müsse er schnell scharf überlegen, ob er mit der Knochenfräse abhobeln wolle, um den Rest der Wurzel zu entfernen. «I tue mau chli, damit mr’s ömu versuecht hei», meinte er. Ich hätte am liebsten laut NEIIIII! geschrieen, aber mit hundert Haken, Röhren und Spiegeln im Mund bringt man nicht viel mehr als ein dämliches «äähöööaagghh» zustande. Kein Wunder also, dass trotz meines Interventionsversuches geknochenraspelt wurde. Huiui, das ist etwas vom Unangenehmsten, das rumpelt im Kopf wie hundert Pferdehufe auf Kopfsteinpflaster! Doch nach wenigen Augenblicken war die wilde Mustangherde vorübergezogen, und der Doktor grübelte wieder irgendwas im Loch, derweil mich die Assistentin beinahe mit irgend so einem Folterinstrumentenhaken erworggte, den sie mir so weit ins Gurgeli hinab drückte, dass es mich schier lüpfte. Doch zum Glück nur schier und nicht ganz. Am Ende dann wurde das Wurzelbitzli in seiner Höhle belassen und ich zugenäht.
Und so sitze ich nun da, momentan noch ohne Schmerzen, weil betäubt, aber ausgerüstet mit einem Päckli Méfénacide und einem Fläschli Curasept. Das Méfénacide ist ein Generikum (besonders gefreut hat mich, dass Herr Herren die Einzahl von Generika korrekt anzuwenden vermag! Man hört sooo häufig «Lueged si emal, hie hämmer es Generika!», und jedesmal muss ich mich gottsjämmerlich aufregen. Nicht so bei Doktor Herren) und damit deutlich billiger als das originale Ponstan, und mit dem Curasept muss ich drei mal täglich spülen.
Das wärs auch schon. Ich kann dir nicht mal Hamsterbacken bieten, denn die habe ich (noch?) nicht! Ich bin heilfroh, dass ich es nun überstanden habe!