079 sagt mir nichts

Heute Nachmittag habe ich also zum ersten Mal in meinem Leben dieses «079» gehört, dieses Lied von Lo & Leduc, das letzten Sommer offenbar derart im Radio hoch- und runtergeleiert wurde, dass es nun also der erfolgreichste Schweizer Song des Jahres 2018 ist oder was.

Und ich muss sagen: Okei, verpasst hani da afe mau nüt. Ich masse mir nicht an, zu behaupten, der Song sei schlecht. Das ist schliesslich Geschmaackssache. Aber meinen Geschmack trifft er in keinster Art und Weise. Und dann singen die beiden Amateure auch ständig davon, er wolle «ihri Nummere» haben. Dabei weiss doch jedes Kind, dass ein richtiger Berner wenn schon «ihres Nummero» sagt. Deswegen kann ich ruhigen Gewissens mein weiteres musikalisches Dasein ohne die beiden berner Mundartbarden fristen.

Das eröffnet mir die Möglichkeit, mich voll und ganz auf King Pepe zurückzubesinnen! Nächsten Freitag, am 11. Januar 2019, erscheint sein neuestes Album, KARMA:OK. Wie ich mich freue!

Eine Audienz beim König

Bad Bonn. Bereits der Name des Lokals macht einen neugierig, was da wohl zu erwarten sei. In Düdingen befindet sich das, wobei: in Düdingen kommt einer masslosen Übertreibung gleich. Denn vom Bahnhof sind es – die diversen unfreiwilligen Umwege eingerechnet – gut 20 Minuten zu Fuss. Und das bei bitterer Eiseskälte.

Und weswegen tut sich ein vernünftiger Mensch das an, bei arktischen Temperaturen durch den Gaggoo zu wandern, um an einem dem landläufigen Stadtberner gemeinhin unbekannten Ort zu landen? Die Antwort liegt auf der Hand: Des Königs wegen! Des Pfefferkönigs wegen, um genau zu sein. Pfefferkönig? fragst du. Lasse mich ausdeutschen: King Pepe nennt sich dieser Artist berndeutscher Mundartmusik, und zusammen mit Le Rex gastierte er am Samstag in besagtem Bad Bonn, mit dem einzigen Zweck, mir einen unvergesslichen Abend darzubieten.

Der Pepe, das ist einer, für den es sich lohnte, noch weitaus weiter als nur bis ins nahegelegene Düdingen am schönen Schiffenensee zu pilgern, denn live ist er noch mal einen Zacken knackiger als ab Platte, sei sie nun aus Schellack, Vinyl oder Polycarbonat. Für den Pepe, glaube ich, würde ich sogar in die ferne Ostschweiz schweifen. Denn der Pepe ist super.

Das Publikum war zwar nicht überragend zahlreich, trotzdem herrschte Bombenstimmung, was ja auch nicht weiter verwundert, denn Le Rex – mit einem Arno Troxler als Ersatz für den in New York weilenden Rico Baumann am Schlagzeug und einer den legendären Andreas Tschopp an der Posaune vertretenden Nina Thöni – rockten wie die wilden, und Pepe ging während Pepe gschpürt Liebi derenweg ab wie ein Zäpfli, dass er gar mit der Gitarre seinen Mikrofonständer zu Boden warf. Einer geistesgegenwärtigen den Ständer wieder aufstellenden Konzertbesucherin aus der ersten Reihe war es zu verdanken, dass Pepe nach seinem Trompetensolo zeitgerecht weitersingen konnte. Alles in allem also eine Höllenshow, die leider nach viel zu kurzer Zeit bereits zu Ende war. Immerhin gelangten alle Stücke ab 70% Wasser zum Vortrag, und das mochte mein Herz erfreuen.

Klar, dass ich da den Merchandising-Stand nicht nutzlos herumstehen lassen konnte, und so bin ich nun stolzer Besitzer eines edlen King-Pepe-Stofftaschentuches mit güldener Stickerei. Siehe:

Ein vornehmes Tuch, gewoben aus edlem Zwirn, geziert von güldenem Gesticke!

Und weil’s so schön ist, noch eine Detailaufnahme:

Eine königliche Stickerei

Wow! Gute Nacht!

Sehet her und leset, denn dies ist meine Schrift

Was ich heute erlebt habe, bedarf eines Beitrages, denn es war eindrücklich und beängstigend zugleich: Ich war in der katholischen Weihnachtsmesse.

Eigentlich wollte ich ja nur den Chor und die Musik hören gehen, aber das ist nur recht schlecht möglich, ohne der ganzen Zeremonie beizuwohnen, und so betrachtete ich um elf Uhr morgens, als ich die Dreifaltigkeitskirche betrat, die kommenden anderthalb Stunden als kulturelle, religiöse und allgemeine Weiterbildung. Gehört hatte ich ja schon von diesen katholischen Gottesdiensten, wo der Prälat etwas sagt und die Gemeinde wie von Geisterhand antwortet. Und nun sollte ich es also selber erleben! Und wie ich es erleben sollte!

Die Kirche war schon gut gefüllt, als ich ankam, aber ich fand trotzdem noch ein Plätzchen, relativ weit hinten, am Rande einer Sitzbank. Ich installierte mich und bemerkte, dass auch bei den Katholiken die Sitzbänke nicht bequemer sind als bei uns Protestanten: Nur ein ganz dünnes Sitzkissen für den Allerwertesten und eine Rückenlehne, die jedem Spinalorthopäden Tränen der Freude entlocken muss, weil er mit grosser Kundschaft rechnen kann. Da auch die Beinfreiheit mehr als zu wünschen übrig liess, versuchte ich, meinen rechten Fuss auf dieser Fussleiste vor mir zu deponieren, was mir aber auch nicht behagte. Der einzige Effekt dieses Versuchs war, dass der alte Mann zu meiner Linken mich wütend anschnaubte, an der Fussleiste zu nesteln begann und sie hochklappte. Ah, hatte ich mich also geirrt: Es war gar keine Fussleiste, sondern eine Kniefallraste, auf der sich fromme Christen fortan die Hosen dreckig machen, weil ich sie mit meinen Schuhen beschmutzt habe. Ich entschuldige mich hierfür nachträglich.

Derweil ich auf den Beginn des Spektakels wartete – und mich selbstverständlich in Grund und Boden schämte für mein Fussleistenmissgeschick – blieb mir genügend Zeit, einmal die Kirche in Augenschein zu nehmen. Ein schönes Gebäude! Das Presbyterium in schönem Sonnengelb bemalt, die Fenster glasig und bunt, die Decke hoch, die Säulen aus glänzend poliertem Stein mit manierlichen Kapitellen, alles in allem ein ansprechender Eindruck, der sich mir bot.

Das Klingeln eines hellen Glöckleins riss mich aus meinen Betrachtungen und ich staunte nicht schlecht, als plötzlich eine ganze Horde weissgekleideter Gestalten den Mittelgang entlang schritt. Ein Mann trug gar einen wunderbar goldgelben Talar, um den ich ihn ein wenig benitt (benod? benied? Leider kennt nicht einmal die Gesellschaft zur Stärkung der Verben das Präteritum von beneiden), hierbei handelte es sich ganz offensichtlich um den Sektenguru. Das Personal war eingetroffen, es konnte also losgehen!

Eine merkwürdige Angelegenheit, so eine katholische Messe. Eröffnet wurde sie vom Oberzauberer persönlich mit den Worten «Liebe Mitmenschen», was mich ein wenig enttäuschte, hatte ich doch mit einer lateinischen Litanei gerechnet. In der Tat war es dann aber immerhin so, dass sich zeitweilig ein eigenartiger Dialog zwischen Publikum und Priester entspann, dem ich aber nicht folgen konnte. Ich konnte nicht einmal ein eindeutiges Stichwort ausmachen, das die Gläubigen zu ihrem Gemurmel angestiftet hätte. Für mich ging das wie durch Zauberei.

Auch das ewige aufstehen und absitzen schien mir anfänglich eine sonderbare Sitte. Mit der Zeit aber kam ich auf das tiefere Geheimnis dieses Brauches: Steht der Mensch auf, so hindert ihn das am Entschlummern in die tiefen Täler traumlosen Schlafes. So gesehen ist es eine glatte Sache, mit einer simplen Armbewegung ganze Menschenmassen auf- und abzudirigieren.

Der nächste Höhepunkt bot sich beim Abendmahl: Der Priester brach die Oblate, erzählte, was Jesus beim letzten Abendmahl erzählt hatte, hob die Oblate hoch über seinen Kopf, und dann wurde gebimmelt, was das Zeug hielt: Zuerst *dödlöng-dödlöng-dödlöng* von links, dann höher *didling-didling-didling* von rechts und dann nochmal *dödlöng-dödlöng-dödlöng* von links. Danach  nahm der Gottesdiener den Kelch mit dem Wein, erzählte, was Jesus beim letzten Abendmahl erzählt hatte, und hob den Kelch hoch über seinen Kopf. Wieder *dödlöng-didling-dödlöng*. «Dasch ja itz no cheibeluschtig mit dene Glöggeli», hatte ich gerade noch Zeit, zu denken, als bereits die nächste Bedrohung in Form eines Messdieners nahte: Langsam und drohend schritt er mit einer Schale voller Oblaten in der Hand den Gang entlang auf mich zu, und mich durchzuckte es siedendheiss: Jetzt ist Interaktion mit dem Publikum gefragt! Die Knie wurden mir weich wie Butter, denn schliesslich war dies meine erste Messe und ich hatte doch keine Ahnung, was man da beim Abendmahl zu tun pflegt. Stellte ich mich jetzt dumm an, dann flöge ich auf, und alle wissen, was fromme Katholiken mit Ungläubigen anstellen: Sie stecken sie auf den Scheiterhaufen. Zum Glück sind heutige Katholiken aber weit weniger radikal als ihre mittelalterlichen Vorfahren, und so überlebte ich das Abendmahl unbeschadet, indem ich einfach an meinem Platz sitzen blieb und dem Treiben aus sicherer Distanz zuschaute.

Bald darauf der nächste brenzlige Moment: Der Priester hatte irgend etwas gesagt (meine Gedanken waren in dem Moment leider gerade abgeschwoffen), und plötzlich begannen alle in der Kirche, sich gegenseitig die Hände zu schütteln. Ich wunderte mich und wusste nicht, wie mir geschah, als meine mir vollkommen unbekannte Sitznachbarin meine Hand ergriff und mir wohl eine frohe Weihnacht wünschte. Zu baff war ich, als dass ich verstanden hätte, was genau sie mir sagte. Ich lächelte einfach freundlich und stellte mich dumm, was mir ja nicht allzu schwer fällt.

Irgendwann einmal war dann der Gottesdienst fertig, und vielleicht sollte ich jetzt auch noch erwähnen, dass sowohl Chor als auch Orchester und Orgel wirklich gut gespielt und gesungen haben. Insbesondere die Solosänger verdienen lobende Worte, hierfür hat sich mein abenteuerlicher Ausflug gelohnt.

Mein abenteuerlicher Ausflug, der ja noch gar nicht zu Ende erzählt ist! Als ich nämlich die Kirche verlassen hatte, und noch ein wenig vor dem Eingang herumstand, stand wie aus dem Nichts plötzlich der goldgelb-betalarte Priester vor mir, lächtelte mich an, ergriff meine Hand und sprach: «E fröhlechi Wiehnacht wünsch ich ihne!» Ich war ganz und gar verdattert und sagte, glaub ich, nur: «Merci, glichfaus», denn zu mehr sah ich mich momentan ausserstande. Ich schnappte mir schnell mein Velo und rauschte vondannen.

… vielleicht doch nicht eine ganz so verkehrte Sache, dieser Gottesdienst, wenn man denkt. Liesse man den ganzen langweiligen Sermon weg, mit dem ich als streng säkular geprägter Mensch nichts anfangen kann, dann bliebe ein schönes musikalisches Erlebnis und freundliches Händeschütteln, gegen das – ausser aus hygienischer Sicht – nicht das Geringste einzuwenden ist. Wer weiss, vielleicht gehe ich wieder einmal Katholiken schauen.

Rhythmusstörungen sind nicht schlimm

Ich war heute mal wieder bei der Dentalhygienikerinnenbehandlung. Ich weiss ja nicht, wie’s meiner Leserschaft geht, aber mir behagt das jeweils gar nicht so sehr, wie man vielleicht annehmen könnte: es rattert im Gebiss und kreischt im Hörnerv, es zieht am Zahnnerv und am Ende bin ich vor lauter Verkrampfen ein riesengrosser Muskelkater. Dabei macht sie das wirklich gut, die Frau Dentalhygienikerin! Da gibt’s nichts auszusetzen, sie gönnt einem auch mal eine Verschnaufpause zwischendurch, zeigt Verständnis für das unangenehme Gefühl, das die Entfernung von Zahnstein an empfindlichen – weil freiliegenden – Zahnhälsen nun mal mit sich bringt, und sowieso kann sie die innere Sadistin hervorragend verstecken. Dass eine solche sie ist, davon gehe ich einfach aus, sonst hätte sie ja kaum einen Beruf gewählt, bei dem das Quälen von schlecht zähneputzenden Menschen der Hauptinhalt darstellt.

Ich brachte die Behandlung jedenfalls in gerade mal 30 Minuten hinter mich (schnell ist sie auch noch!) und erfreute mich des sauberen Gefühls beim Ertasten meiner frisch gereinigten Zähne mit der Zungenspitze (liebst du es auch, das Gefühl von Sauberkeit am Zahn, wenn du der Behandlung frisch entronnen bist? Es gibt kaum was besseres!), als ich mich bei der Bushaltestelle wartenshalber auf die Bank setzen wollte.

Ich hatte mich noch gar nicht gesetzt, da sah ich diesen Zettel:

Ein wenig Rhythmusstörungen

Als Schlagzeuger muss ich da aber vehement Widersprechen und aufs schärfste Protestieren! Rhythmusstörungen sind etwas vom Übelsten, was es gibt, gleich nach einen Pianopianissimosoloschlag auf der Röhrenglocke und einem 16tel-Lauf über drei Pauken.

Als Freund der deutschen Sprache und insbesondere komplizierter Fremdwörter (sogenannter Xenogramme?) freue ich mich aber ob des korrekt geschriebenen Rhythmus›.

46.9265547.417305

Alle Billette vorweisen, bitte!

Wo soll ich beginnen? Ich bin ja noch ganz durcheinander und hibbelig und kribbelig, derart Monumentales ist mir widerfahren! Möglicherweise wäre es am schlauesten, am Anfang zu beginnen, hingegen kann das nicht gerade als originell und einfallsreich gelten. Hinten zu beginnen wäre hingegen komplett sinnlos, denn wer mag schon einen ganzen Text rückwärts lesen. Auch mittendrin scheint sich als Option nicht wirklich anzubieten, denn das ist weder Hans noch Heiri.

Den Heiri habe ich jetzt mal gegoogelt, um herauszufinden, wofür der eigentlich steht. Hermann? Heinz? Herodes? Das erste Resultat, das mir Google entgegenspuckt, verweist auf die Webseite von Heiri Kaenzig. Scheint ein Jazzmusiker zu sein, allem Anschein nach Kontrabassist. Kein anderer Instrumentalist würde sich freiwillig mit einem Kontrabass im Internet veröffentlichen. Thihi, Entschuldigung. Das musste einfach sein.

Das zweite Resultat zielt zu Heiri Häfliger. Der hat es wohl mehr mit der Kunst im allgemeinen als mit der Musik. Der Website nach macht der irgendwelche Installationen, Skulpturen und andere Sachen, mit denen ich nichts anfangen kann. Tut mit leid, aber der Kaenzig ist mir lieber.

Der dritte Googletreffer öffnet mir in Sachen Heiri die Augen: Aus heinrichmueller.ch gelingt es mir endlich, abzuleiten, dass Heiri ein zu kurz geratener Heinrich ist. Womit wir das dann geklärt hätten, und mir gleichzeitig wieder einmal in den Sinn kommt, dass der ehemalige Tagesschausprecher ja nun unter den County-Musikern weilt.

So viel Musik! Und gleich schon am Anfang des Beitrages! Das zwingt mich fast schon zu einer Überleitung zum eigentlichen Thema, und ich gebe zu, es kommt mir ganz kommod. Denn mit der Musik kann ich hervorragend weiterleiten.

Nämlich mit der Blasmusik. Und jetzt geht’s ruck-zuck, pass auf, dass du den Zug nicht verpasst:

Und zwar besitzt die Firma, für welche ich arbeite, ein eigenes Blasorchester, bei welchem mitzuspielen ich nun für (mindestens) ein Konzert die Ehre habe. Und da in einem Blasorchester traditionellerweise eine Uniform dazugehört, habe ich anlässlich meiner ersten Probe letzten Mittwoch eine solche gefasst. Und weil der Anblick einfach zu schön ist, um im stillen Kämmerchen eingepfercht zu bleiben, lasse ich ihn hinaus in die Wildnis. Hier ist er:

Adrett, nicht? Die Ente findet’s auch!

Und somit hätte sich auch der Titel erklärt: Unbändig gelüsten würde es mich, derart behemdet und bekravattet einen Zug zu besteigen und mit lauter Stimme «Grüezimitenand! Nöchschte Halt Züri Altstätte, alli Billet vorwiise bitte!» zu schreien, um dann mit wichtiger Miene verkünden zu können: «Ja aber näi, säget sie mal, was erläubet sie sich äigentlich?! Das Billet isch nöd gültig! Da muen ich ihne e Buess geh! Ds macht dänn zwäihundert Franke, bitteschön!» Das wäre erstens ein mördermässiger Mordsspass und würde zweitens mein Sackgeld ein bisschen aufbessern. Ich glaub, ich tu’s!