Wer des Genitivs Genick bricht

Ich kann es nun mit Gewissheit sagen: Es ist die schulische Ausbildung – präziser: die Ermangelung ebenjener – welche dem Genitiv das Genick bricht, oder, um sich gleich seiner zu bedienen: des Genitivs Genick bricht. Wie ich auf diese gewagte These komme? Ganz einfach: mittels Beweis. Siehe, welch trauriges Exemplar eines Arbeitsblattes der mittlere Spross der Familie nach Hause brachte:

Man kann nun argumentieren, dass mit «eines» ein lupenreiner Genitiv eingeleitet werde. Daran habe ich auch gar nichts auszusetzen. Dass aber dann ein ebenso lupenreines Deppen Leer Zeichen die ganze Überschrift zu einer Lachnummer verkommen lässt, ich nicht mehr abzustreiten. Für mich ist es sogar eher eine Weinnummer denn eine Lachnummer, und ich spreche hier natürlich nicht von Cabernet-Sauvignon, Shiraz oder Bordeaux, sondern von den bitteren Tränen eines zutiefst vergrämten Anhängers korrekter Grammatik.

«eines Ernährung Kreises» wird einem unbedarften Erstklässler im Kanton Bern allen Ernstes zugemutet? Wie soll das arme Kind denn jemals richtiges Deutsch lernen? Ich schüttele den Kopf, und dies nur, weil es mich am ganzen Körper schüttelt. Naja. Dann muss der arme Bub halt von seinem Vater erfahren, wie man richtig schriebe.

DRS2 ist dem Genitiv sein Tod

Ich habe mir ein Käfeli gemacht und dazu die Nachrichten auf DRS2 gehört, wie ich das hin und wieder zu tun pflege. Da hörte ich einen Satz, der mich nicht wegen seines Inhaltes, sondern vielmehr seiner Grammatik wegen wie ein Blitz durchzuckte:

In der israelischen Stadt Tel Aviv haben tausende dem ermordeten ehemaligen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin gedacht.

Nachrichten auf DRS2, 3. November 2019, 9:00 Uhr

Vielleicht durchzuckt es dich beim Lesen ebenfalls. Dann gratuliere ich dir herzlich zu deinem fein ausgeprägten Sprachempfinden. Wenn dich hingegen nichts stört, kann das in meinen Augen zwei Gründen haben:

  1. Du bist schlicht und einfach ein sprachlicher Pflock. In dem Fall darfst du diese Website nun schliessen.
  2. Du bist besser gebildet als ich und wusstet bereits, dass gedenken insbesondere in der Schweiz auch mit dem Dativ verwendet werden darf.

Ich war mir dieser Regel nicht bewusst und fühlte meinen Puls aufgrund der vermeintlichen sprachlichen Todsünde bereits wieder in astronomische Höhen schnellen. «Hueresiech, itz chöi si nidmau me im Radio richtig Dütsch!» Solcherart Gedanken begannen in meinem Kopf zu kreisen. Ein rascher Blick in den Duden (Das Buch! 23. Auflage aus dem Jahre 2004) bestätigte mir meine Meinung:

ge|dẹn|ken; mit Gen.: gedenket unser!

Flugs startete ich also meinen Computer und öffnete das Kontaktformular auf der DRS-Website. In den freundlichsten Worten formulierte ich mein Anliegen, nicht aber ohne zuvor noch auf der Duden-Website den Wahrheitsgehalt meiner Annahme zu prüfen. Und siehe, ebenda wurde ich eines Besseren belehrt: «Gedenken» kann im schweizerischen tatsächlich auch mit Dativ verwendet werden! Also musste ich meinen Essay noch ein wenig umschreiben und gelangte schlussamend zu folgendem Textchen, das ich in freudiger Hoffnung auf den Weg in die DRS-Redaktion (so hoffe ich zumindest) sandte:

Guten Morgen

In den Nachrichten auf Radio SRF 2 um 9 Uhr habe ich folgenden Satz gehört:
«In der israelischen Stadt Tel Aviv haben tausende dem ermordeten ehemaligen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin gedacht.»

Obwohl laut Duden das Verb «gedenken» auch mit dem Dativ verwendet werden darf (1), möchte ich Ihnen ans Herz legen, sich für die weiteren Ausstrahlungen der Nachrichten doch des Genitivs zu bedienen: «(…) haben taudense des ermordeten ehemaligen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin gedacht.»

Der Genitiv ist ein so wunderbarer Fall, der es je länger desto schwieriger hat, sich in unserer Sprache zu behaupten, wie ja Bastian Sick bereits 2004 in seinem bekannten Buch «Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod» festgestellt hat.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich eines geruhsamen Sonntags erfreuen können! Freundliche Grüsse,

Manuel Friedli

Ich, am 3. November 2019 um ca. 9:30 Uhr

Wie du unschwer festgestellt haben wirst, habe ich da ganz entgegen meiner sonstigen Prinzipienreiterei von «Radio SRF 2» und nicht von «DRS2» gesprochen. Tja, in manchen Fällen halte sogar ich es für opportun, der Klarheit zuliebe auf altgediente Prinzipen zu verzichten. Aber auf meinem Blog hier heissen die Radiosender immer noch «DRS», das Wankdorfstadion bleibt das Wankdorfstadion und auch die Postfinance-Arena heisst Allmendstadion.

Und wenn du zu den Aufgeweckten unter der Sonne gehörst, hast du ebenfalls bemerkt, dass mir ein derart peinlicher Fehler unterlaufen ist, dass ich mich schämen sollte, so eine Nachricht überhaupt abgeschickt zu haben. Aber die netten Leute beim Radio sollen doch auch etwas zu lachen haben. Und wenn sie meinen Vorschlag, dem gesunden Menschenverstand zum Trotz, ungesehen übernehmen, dann dürfen wir uns alle darob amüsieren, dass wir im Radio den Buchstabendreher «zu taudensen» zu hören kriegen.

In diesem Sinne, und um den hochverehrten Martin Ebel zu zitieren:

Sprache ist unser Schatz, hüten und pflegen wir sie.

Martin Ebel, jedes Mal nach Ebels Sprechstunde

Gebrauch des Genitiv(s) erwünscht

Es hat sich nichts daran geändert, dass ich ein grosser Verfechter des Genitivs bin. Meiner Meinung nach sollte man sich seiner viel öfter bedienen. Er gehört zu den vom Aussterben bedrohten Kasus, was eine gezielte Förderung unabdingbar macht.

Insbesondere, wenn man sieht, wie in aller Öffentlichkeit mit ihm umgegangen wird:

Dies schmerzt mich sowohl in Aug› als auch in Ohr.

Zwar heisst es nicht gerade «Betreten vom Areal verboten», aber auch das schüchternde «des» macht es nicht viel besser. Dies ist ein klassischer Fall von «Genitiv-Dativ-Bastardismus».

Was mir aber vollkommen neu war, ist die Tatsache, dass Köniz ein Konzentrationslager besitzt. Gelinde gesagt – ich bin schockiert. Was fällt denen ein?

Oder könnte mich jemand netterweise darüber aufklären, wofür KZ sonst noch stehen kann?

Das volle Kulturprogramm

Das volle Kulturprogramm, die geballte Ladung an einem einzigen Abend gönnte ich mir heute. Kinematographische Unterhaltung sowie musikalisches Kulturschaffen, beides passiv-konsumatorisch auf die Genussrezeptoren einwirkend, wirken Wunder, auch wenn keine Wunder vonnöten sind.

Heiteren Gemüts erträgt man sogar feuchten Schneefall, wie man ihn sich auch im hohen Norden, beispielsweise Chez les ch’tis, vorstellen könnte, und mit Swing à la SJO kommt sowieso subtropische Wärme im Herzen auf. Dass sich mit unglaublicher Geschwindigkeit der nächste Arbeitstag ankündet, vermag die Stimmung auch nicht zu trüben, denn wenn alles im grünen Bereich ist, hat man im Büro zuweilen sogar etwas zu lachen. Nun, nicht, dass jemals nicht alles im grünen Bereich gewesen wäre.

Ich darf bei dieser Gelegenheit gleich eine kleine Anekdote in den Text einflechten, die sich zwar nicht chronologisch, dafür aber thematisch nahtlos in die Umgebung einfügt, und zwar dann, wenn wir uns als Umgebung ein Schneegestöber vorstellen.

So stöberte also der Schnee um der Menschen Köpfe, und infolgedessen hatten Trams und Busse etwas zu husten. Konsequenterweise meldeten die Anzeigetafeln an den Bernmobilbusundtramhaltestellen auch die dräuenden Verspätungen der öffentlichen Bernmobilverkehrsmittel. Ich bin in der exklusiven Lage, den Originaltext im Originalton wiederzugeben, der da lautet:

Infolge prekären Strassenverhältnissen sind Verspätungen möglich.

Liebe Bernmobiltexterundtexterinnen! Bitte, bitte, erbarmt euch dem Dativ und missbraucht ihn nicht anstelle dem Genitiv!

Munter drauflosgeplappert

Selten kommt es vor, dass mir jemand bei meiner Schreibertätigkeit über die Schulter guckt. Heute ist so ein Selten.

Wir wandelten durch die Altstadt, als, unverhofft, eine wohlbekannte Figur auf der Bildfläche erschien.

Hier ist ein Einschub angebracht. Es bloggt sich unabstreitbar anders, wenn  über die Schulter geguckt wird. Ich will es dennoch versuchen, zu tun. Einschub Ende.

Diese Figur also, von der zu sprechen, respektive scheiben, ich begonnen hatte, spielte mit ihrem Hund. Der Schultergucker meint soeben, es habe sich bloss um einen Köter gehandelt, ich als Tierliebhaber muss aber dagegenhalten, dass auch kleine Kläffer durchaus als Hunde bezeichnet werden dürfen, zumal doch das Wort Hund bereits grundsätzlich negativ mit Gestank und Gekläff behaftet ist, und somit auch diese Bezeichnung nichts Gutes zu verheissen vermag (Aah, wie ich mich auf die bissigen Kommentare von Hundenarren freue!).

Ich bin abgedriftet.

Nach wie vor fühlt sich überwachtes Bloggen merkwürdig an. Kehren wir trotzdem zurück zum Kern des Beitrages.

Wir sprachen von einer wohlbekannten Figur, welche auf der Bildfläche erschien. Diese Person war uns bereits aus einem einschlägigen Lokal bekannt, wobei einschlägig hier durchaus nicht in negativem Sinne gebraucht wird, sondern bloss halt eben anders, aber item. Bevor ich wiederum weiter abdrifte sollte vielleicht noch zur Erwähnung gebracht werden, dass mir mittlerweile über die Schulter gezähneputzt wird, was meiner Konzentration auch nicht unbedingt förderlich ist, so dass weitere Abdriftungen wohl kaum zu vermeiden sind.

Die Figur also, die wohlbekannte. Sie spielte mit ihrem Fido, und war dem Anschein nach in Pyjamahose und Bettsocken gekleidet. Die Bettsocken sind bei den aktuell vorherrschenden arktischen Temperaturen durchaus verständlich, die Pyjamahose eher weniger. Aber als Bürger eines freien demokratischen Landes darf man sich kleiden, wie es einem behagt, und zum Glück darf man auch schreiben, was einem behagt, ansonsten ich mich wohl mit bitterbösen Konsequenzen ob dieses schwachen Beitrages konfrontiert sähe.

Immerhin ist mir zuzugestehen, dass ich noch einen Genitiv eingebaut habe. Und das ist doch auch etwas.

Gute (obligate) Nacht!